Bericht vom Kalif Al-Ma’mun Shatranj-Memorial Hamburg 2019

Von Jürgen Woscidlo

Im Rahmen der diesjährigen Arabischen Kulturwochen fand am 30. November 2019 das Kalif Al-Ma’mun Shatranj-Memorial Hamburg 2019 im Asien-Afrika Institut der Universität Hamburg statt. Das Turnier war dem Kalifen Al-Ma‘mun (786 bis 833 n.Chr.) gewidmet. Dieser Kalif gilt als Begründer des Profischachs, denn erstmalig vergab er 819 n. Chr. – mithin vor genau 1200 (!) Jahren – den Titel des „Aliyat“, was so viel wie „Großmeister“ bedeutet.
Das ist seit der Premiere 2016 bereits die dritte Auflage des Shatranj Turniers unter der Schirmherrschaft der Generalkonsulin der Republik Tunesien, Sonia Ben Amor. Leider endet damit die Begleitung des Turniers durch die Generalkonsulin Ben Amor, da sie im August des nächsten Jahres Hamburg verlassen wird. An dieser Stelle sei ihr für die Unterstützung des Shatranj in den letzten Jahren gedankt.

Foto: Gabriele Kaminsky.
Foto: Gabriele Kaminsky.

In diesem Jahr trafen sich 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Kampf an den Brettern. Eine erfreuliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr. Es gab ein Erwachsenenturnier mit sechs und ein Kinderturnier mit acht Teilnehmern. Der Maghreb war zahlreich unter den Teilnehmern vertreten: Erstmals spielten Spieler aus Marokko und Lybien mit. Mit Elo Zahlen von 1900 war die Stärke sehr ordentlich. Von der Presse waren René Gralla (Hamburg) und Abdurrahman Emhmed (Lybien) anwesend.
Die Partien waren durchweg spannend und auch humorvoll. Für die Kiebitze, die bei einem solchen Turnier nicht fehlen, dürfen gab es genug Möglichkeiten selbst zu spielen.
Bei den Erwachsenen wurde der 1. Platz im Stichkampf zwischen Uwe Frischmuth und Martin Wolff ermittelt, bei dem sich ersterer durchsetzte. Bei den Kindern gab es einen Stichkampf um Platz 2 zwischen Sven Meinköhn und Leith Aroui, den letzterer für sich entscheiden konnte. Mit fünf Siegen aus sieben Spielen lieferte Sven Meinköhn ebenso eine wirklich tolle Leistung ab. Der Überraschungsspieler war aber Leith Aroui; der verdient den 2. Platz einfuhr. Harburg war in diesem Turnier mit Ian Meinköhn, Sven Meinköhn und Elefterius Paulidis sehr gut vertreten. Elefterius, der das erste Mal antrat holte zwei Punkte.
Zum Abschluss gab es Urkunden für alle Teilnehmer und Generalkonsulin Sonia Ben Amor bedankte sich mit einem Geschenk beim Orga-Team. Großer Dank geht an Gabriele Kamensky von der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft, die für einen so guten Rahmen sorgte. Ebenso großen Dank gebührt Uwe Frischmuth, der als Schiedsrichter das Turnier mit viel Humor betreute.

Endtabelle Kinderturnier:

  1. Ian Meinköhn
  2. Leith Aroui
  3. Sven Meinköhn
  4. Elefterius Paulidis
  5. Sara Alo
  6. Tamer Alo
  7. Obaida Abdullah
  8. Yousseef Abdeldayen

Endtabelle Erwachsenenturnier:

  1. Uwe Frischmuth
  2. Martin Wolff
  3. Jürgen Woscidlo
  4. Abdurrahman Emhmed
  5. Bouhya El Hamid
  6. Dounia El Korchi
Foto: Gabriele Kaminsky.
Foto: Gabriele Kaminsky.

1200 Jahre nach den ersten Großmeistern: Das echte Schach aus Tausendundeiner Nacht bei Hamburgs Arabischen Kulturwochen 2019

Von René Gralla

Die Schachwelt schaute in der ersten Häfte des Novembermonats 2019 gebannt nach Hamburg, wo das dritte Grand Prix-Turnier im aktuellen FIDE-Wettkampfzyklus gastierte. Doch wohl keinem der 16 Megachamps, die zwei Wochen lang in der zukunftsorientierten HafenCity an der Elbe um wertvolle WM-Qualifikationspunkte zockten, dürfte bewusst gewesen sein, dass sie auf diese Weise nicht nur dem unverkennbar maritimen Genius Loci des Austragungsortes ihre Reverenz erwiesen, sondern zugleich auch eine weit in die Vergangenheit reichende Traditionslinie, deren Ausgangspunkt vor 1200 Jahren und viele tausend Meilen weiter in südöstlicher Richtung gesetzt worden ist, aufgenommen und für die Zukunft fortgeschrieben haben.

Haben in Hamburg eine Tradtionslinie fortgeschrieben, die vor 1200 Jahren in Bagdad begründet worden ist: Turniersieger Alexander Grischuk (li.) aus Russland und der Zweitplatzierte Jan-Krzysztof Duda (re.) aus Polen beim FIDE-Grand Prix 2019 in Deutschlands nördlicher Hafenmetropole.

Was bisher höchstens Spezialisten wussten: Der organisierte Mindsport markierte bereits im Jahr 819 der nachchristlichen Zeitrechnung einen gewaltigen Sprung nach vorn. Dank einer überraschenden Intervention des Kalifen al-Ma’mun (regierte von 813 bis 833): Der Gebieter der Gläubigen erhob die damals vier unbestrittenen Superstars der Strategiekunst in den Rang von „Aliyat“ – was nach Spielstärke und Prestige den modernen Großmeistern entsprochen hat.

Hat vor 1200 Jahren den Titel des Schachgroßmeisters kreiert: Kalif al-Ma’mun ernannte 819 die vier besten Shatranj-Spieler zu „Aliyat“.

Die Leidenschaft des Kalifen für die symbolischen Gladiatorenkämpfe in den Miniarenen der 64 Felder war familiär bedingt. Sein unvergessener Vater, der in die Märchenbücher eingegangene Harun ar-Raschid (763-809), schätzte ebenfalls das virtuelle Spiel um Triumph und Tod kriegerischer Herrscherfiguren und nahm deswegen eine 802 geführte Korrespondenz mit dem byzantinischen Kaiser Nikephoros I. (760-811) zum willkommenen Anlass, die Diskussion diplomatischer Fragen mit einem privaten Exkurs aufzulockern und von den Talenten einer seiner flotten Servicefachkräfte zu schwärmen – weil die besagte junge Dame nicht nur äußerst attraktiv war, sondern überdies feine und wunderbar fiese Intrigen am Brett zu spinnen wusste.

Die Schönheit der Mattkunst: Besucherinnen des Tunesientages 2018, in dessen Rahmen das zweite Shatranj-Turnier (nach der Premiere 2016) an der Universität Hamburg ausgetragen wurde. Foto: Bernd-Jürgen Fischer.
Die Schönheit der Mattkunst: Besucherinnen des Tunesientages 2018, in dessen Rahmen das zweite Shatranj-Turnier (nach der Premiere 2016) an der Universität Hamburg ausgetragen wurde. Foto: Bernd-Jürgen Fischer.

Allerdings folgte jene Schachversion, die einen veritablen Kalifen auf die Idee brachte, die Besten der Besten als „Aliyat“ zu feiern, noch ihrem eigenen und sehr spezifischen Rhythmus. Im seinerzeit verwendeten Spielmaterial fehlten die aktuell standardmäßigen „Läufer“ und „Damen“; stattdessen kamen im Aktionsradius massiv eingeschränkte „Elefanten“ plus „Wesire“ zum Einsatz. Der Denksport, für den im arabischen Raum die Bezeichnung „Shatranj“ üblich wurde, orientierte sich eben noch peinlich genau am klassischen Vorbild, das unbekannte Tüftler unter dem Namen „Chaturanga“ wohl in der Boomphase des indischen Gupta-Reiches zwischen fünftem und sechstem Jahrhundert gebastelt hatten. Während der Schachsport, den wir aus allfälligen Medienberichten oder eigener Spielpraxis kennen, im Grunde bloß eine jüngere und ziemlich respektlose Abwandlung des Originals ist: eine radikale Revision, die spanische und italienische Aktivisten vor einem guten halben Millennium forcierten, um die zuvor oft gemächlich dahin plätschernden Wettkampfpartien spürbar zu beschleunigen.
Den epochalen Beitrag, mit dem sich Kalif al-Ma’mun deutlich früher in die Annalen eingeschrieben hat – die Erfindung und Vergabe des Titels Aliyat aka Großmeister – , würdigt am 30. November 2019 ein Gedenkturnier am Asien-Afrika-Institut (AAI) der Universität Hamburg ab 12:00 Uhr im Rahmen eines Tunesientages. Das Kalif Al-Ma’mun-Memorial, einer der Höhepunkte im Programm der diesjährigen Arabischen Kulturwochen, ist angesetzt auf vier Runden im flotten Rapid Chess-Modus (15 Minuten pro Partei und Match) und holt das gewissermaßen echte Schach aus Tausendundeiner Nacht zurück ins Heute. Bei diesem Leistungsvergleich gelten – das ist Ehrensache! – allein die Regeln, die einst schon für Aliyat aka Großmeister in der Goldenen Ära Bagdads verbindlich waren.
Prominente Schirmherrin des Events ist Ihre Exzellenz Frau Konsulin Sonia Ben Amor, Chefin der diplomatischen Vertretung Tunesiens in der Hansestadt. Gesponsert wird die Veranstaltung von der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft (DTG); Gabriele Kamensky, die Hamburg-Beauftragte der DTG, supportet Wiederentdeckung und Pflege des Shatranj aus persönlicher Überzeugung.

Prominente Supporterin des Hamburger Shatranj-Revivals ist Tunesiens Konsulin Sonia Ben Amor (Bildmitte; hier auf dem Tunesientag 2018 mit Gabriele Kamensky von der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft, li., und Autor René Gralla, re.).
Prominente Supporterin des Hamburger Shatranj-Revivals ist Tunesiens Konsulin Sonia Ben Amor (Bildmitte; hier auf dem Tunesientag 2018 mit Gabriele Kamensky von der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft, li., und Autor René Gralla, re.).

Back to the roots: Das Lieblingsspiel vom Hof der Kalifen wird der Vergessenheit entrissen und entpuppt sich als quicklebendig. Das aktuelle Shatranj-Turnier am Sonnabend vor dem Ersten Advent 2019 ist schon die dritte Auflage, nach einer sensationellen Premiere 2016, und vor drei Jahren ebenfalls in den heiligen Hallen von Hammonias Alma Mater. A SECOND COMING – AGAINST ALL ODDS … und eng verbunden mit zwei lokalen Enthusiasten: Schachlehrer Jürgen Woscidlo und der Hamburger Journalist und Rechtsanwalt René Gralla.
Der Sinstorfer Jürgen Woscidlo kümmert sich um die Organisation des Kalif al-Ma’mun-Memorials. In der Rolle eines Beraters agiert der Autor René Gralla, der in einer Reihe von Publikationen dafür plädiert hat, dem Protoschach Shatranj wieder einen gebührenden Platz im Turnierbetrieb einzuräumen.
Eine Initiative, an deren Realismus man zweifeln mag, die mittlerweile aber sogar in der Scientific Community erste Wellen geschlagen hat. Denn der erfolgreiche Startschuss für Shatranj 2016 führte – manchen Zweiflern zum Trotz – tatsächlich zu einer ersten Wiederholung am 27. Oktober 2018 in Hamburgs Asien-Afrika-Institut, und prominente Gäste der Eröffnungsfeier waren keine Geringeren als Professorin Trisilpa Boonkhachorn, die an Bangkoks Chulalongkorn University lehrt, im Zweierteam mit dem Kollegen Professor Volker Grabowsky, Dekan des Fachbereichs Thaiistik an der Universität Hamburg.
Schließlich schlägt das Thema Strategisches Spiel eine faszinierende Brücke zwischen arabischem Kulturraum und Südostasien: In Thailand und Kambodscha äußerst populär sind die regionalen Schachvarianten Makruk respektive Ouk Chatrang, die wie in einem Zeitlabor ihrerseits den Kanon des Shatranj fast deckungsgleich – abgesehen von minderen Modifikationen – widerspiegeln und entsprechend auch im 21. Jahrhundert pflegen.
Folgerichtig hat Professor Grabowsky mehrere Makruk-Turniere als quasi interaktive historische Workshops in seinem Fachbereich angeregt und unterstützt. Und die thailändische Naresuan University in Phitsanulok, mit der Hamburgs Wissenschaftler kooperieren, richtet Meisterschaften im Siamschach aus: ein Projekt, das anlässlich des Besuchs einer Delegation aus dem Königreich des Lächelns auf den Weg gebracht worden ist (wobei last not least auch Shatranj-Aficionado René Gralla die Strippen zog).

Jahrhunderte altes Boardgaming begeistert auch die Kids von heute: junger Fan, der im Spielsaal des zweiten Hamburger Shatranj-Turniers 2018 das thailändische Gegenstück "Makruk" ausprobiert. Das in Südostasien äußerst populäre Siamschach weist deutliche Parallelen zum traditionellen arabischen Shatranj auf. Foto: Bernd-Jürgen Fischer.
Jahrhunderte altes Boardgaming begeistert auch die Kids von heute: junger Fan, der im Spielsaal des zweiten Hamburger Shatranj-Turniers 2018 das thailändische Gegenstück „Makruk“ ausprobiert. Das in Südostasien äußerst populäre Siamschach weist deutliche Parallelen zum traditionellen arabischen Shatranj auf. Foto: Bernd-Jürgen Fischer.

ANCIENT CHESS RULES! Und gerade auch Frauen mischen mit – auf den Spuren legendärer Meisterinnen des Shatranj.

Maurische Frauen beim Shatranj: Miniatur aus dem 1283 veröffentlichten „Libro de los juegos“, eine Spielesammlung, die dem kastilischen König Alfons X., genannt „El Sabio“ (übersetzt: „der Weise“), zugeschrieben wird.

Arabische Chronisten rühmten die brillanten Schwestern Safi’a, A’isha und ‚Ubaida, und nicht von ungefähr ist eine geheimnisvolle Mitstreiterin, die schöne Dilaram, verewigt worden in einer seit unzähligen Generationen diskutierten und analysierten Problemkomposition, deren geschmeidige Brutalität – das „Matt der Dilaram“ – bis in die Gegenwart nicht verblasst ist. Und die kleinen Schwestern der mythischen Heldin Dilaram frustrierten während der zweiten Hamburger Shatranj-Jamboree 2018 die Ambitionen vieler männlicher Kandidaten. In der Sonderwertung für weibliche Teilnehmerinnen platzierte sich am Ende die 17-jährige Mariam Khalifa vor ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester Mona, was Vater Mohammed Khalifa stolz strahlen ließ. Der gebürtige Ägypter brachte 2003 die ersten Arabischen Kulturwochen auf den Weg und ist seitdem Mastermind der renommierten Veranstaltungsreihe.

Inspiriert von der legendären Meisterspielerin Dilaram: Mariam Khalifa (re.), beste weibliche Teilnehmerin beim zweiten Hamburger Shatranj-Turnier 2018 (hier im Match gegen den späteren Drittplatzierten Martin Wolff, li.). Foto: Bernd-Jürgen Fischer.
Inspiriert von der legendären Meisterspielerin Dilaram: Mariam Khalifa (re.), beste weibliche Teilnehmerin beim zweiten Hamburger Shatranj-Turnier 2018 (hier im Match gegen den späteren Drittplatzierten Martin Wolff, li.). Foto: Bernd-Jürgen Fischer.

Gegenüber dem Standardschach, das sich in den handelsüblichen Sammeleditionen findet, weist Shatranj einen unschlagbaren Vorteil auf: Es ist absolut anfängerfreundlich. Der Grund: Im Arsenal fehlen, wie schon erwähnt, sowohl die hyperdominanten Damen als auch hektische Läufer, die megaschnellen Roadrunnern nacheifern. In der Konsequenz können selbst Neueinsteiger ins Shatranj aus der Eröffnung heraus nicht überrumpelt werden, sondern haben die reale Chance, sich in das Spielszenario quasi reinzufummeln, eigene Pläne zu entwickeln und erfahrenen Kontrahenten auf Augenhöhe zu trotzen.

Glückwunsch für den besten  Newcomer beim 2. Hamburger Shatranj-Turnier 2018: Navid Nikzad (vorne re.); sein Sonderpreis war die Reproduktion des Rembrandt-Gemäldes "Mann in Rüstung" (links daneben Turniersieger René Gralla; hinten stehend: Turnierdirektor Jürgen Woscidlo). Foto: Bernd-Jürgen Fischer.
Glückwunsch für den besten Newcomer beim 2. Hamburger Shatranj-Turnier 2018: Navid Nikzad (vorne re.); sein Sonderpreis war die Reproduktion des Rembrandt-Gemäldes „Mann in Rüstung“ (links daneben Turniersieger René Gralla; hinten stehend: Turnierdirektor Jürgen Woscidlo). Foto: Bernd-Jürgen Fischer.

Als bester Newcomer des zweiten Hamburger Shatranj-Turniers 2018 wurde Navid Nikzad ausgezeichnet, der spontan den Tunesientag besucht hatte und begeistert ins Rennen ging, als er die aufgebauten Spielbretter mit den putzigen Shatranj-Elefanten sah. Sein Sonderpreis: ein gerahmter Nachdruck des 1655 entstandenen Rembrandt-Gemäldes „Mann in Rüstung“ aus dem Elmshorner Nachlass der 2017 verstorbenen Schachkulturförderin Ingrid Gralla.

War Liebhaberin und Kennerin der Schachkultur in allen Facetten: die Elmshornerin Ingrid Gralla (1930-2017), aufgenommen am 24.12.1997 während eines Aufenthalts in Rom (aus Ingrid Grallas Nachlass wurde der Sonderpeis für das 2. Hamburger Shatranj-Turnier 2018 gestiftet). Foto: René Gralla.
War Liebhaberin und Kennerin der Schachkultur in allen Facetten: die Elmshornerin Ingrid Gralla (1930-2017), aufgenommen am 24.12.1997 während eines Aufenthalts in Rom, hier im Ristorante „Quo Vadis“ an der Via Appia Antica (aus Ingrid Grallas Nachlass wurde der Sonderpeis für das 2. Hamburger Shatranj-Turnier 2018 gestiftet). Foto: René Gralla.

Die Jugendkonkurrenz 2018 gewann Leith Aroui; der zehnjährige Hamburger vertrat zugleich die Farben Tunesiens, aus dem ein Teil seiner Familie stammt. Und knapp den Titelgewinn verpasste Uwe Frischmuth: Mit hauchdünnem Vorsprung wiederholte Shatranj-Lobbyist René Gralla auch 2018 seinen Überraschungserfolg von 2016.
Und nun dürfen wir uns auf die dritte Runde des Shatranj-Revivals freuen – beim Kalif al-Ma’mun-Revival am letzten Tag des Novembers 2019 in Hamburg. Und da mit Musik alles besser läuft, lässt sich motivierender Begleitsound bei Youtube runterladen: „Amar Beirut“, komponiert – wen wundert’s?! – vom Barmstedter Jazzmusiker und Schachsportler Rainer Schnelle (Text und Produktion: Shantranj-Nerd René Gralla).

Die Hymne auf Beirut – eine atemberaubende kosmopolitische Metropole und legitime Nachfolgerin des einst prächtigen Bagdad der Kalifen, die Kultur und Shatranj förderten – wird gesungen von der libanesischen Supergruppe „The 4 Cats“, die bei ihren Konzerten regelmäßig die Massen zum Rasen bringen.

„The 4 Cats“ singen „Amar Beirut“, letzteres eine Gemeinschaftsarbeit des Jazzmusikers und Schachspielers Rainer Schnelle (Komposition) und des Shatranj-Promoters René Gralla (Text).

„Amar Beirut“, übersetzt: „Cool Moon of Beirut“: Nach dem dritten Hamburger Shatranj-Turnier 2019 wäre es eigentlich ziemlich cool, das Folgeturnier 2020 in Beirut auszurichten. Natürlich mit den unglaublichen „4 Cats“ als Opening Act.


Infos zum „Kalif Al-Ma’mun SHATRANJ-Memorial Hamburg 2019“ am 30.11.2019: Universität Hamburg, Edmund-Siemers-Allee 1 (nahe Bahnhof Dammtor), Asien-Afrika-Institut (AAI), Flügel Westraum, Raum 222; Beginn: 12:00 Uhr; 4 Runden Schweizer System (15 Minuten pro Partei und Partie); Anmeldungen vor Ort am Turniertag spätestens bis 11:45 Uhr; Anmeldungen vorab per Email an: jwoscidlo[at]msn.com

Nur das Original … ist das Original! Zweites Turnier im arabischen Protoschach „Shatranj“ am letzten Oktobersamstag in Hamburg

Von René Gralla

Sprechen Ultras der Fanszene über die Liebe ihres Lebens, verwandeln sie sich fast zwangsläufig in quasi ferngesteuerte Nachfahren jenes ewigen Highlanders, von dem es bekanntlich „nur Einen“ geben kann und darf. Weil nämlich die Betreffenden wie selbstverständlich und unisono von einer Prämisse ausgehen: Schach ist Schach, es kann nur DAS EINE geben, Amen.

Dabei ist das aus handelsüblichen Editionen bekannte Kräftemessen zweier Könige, die – assistiert von Usain Bolt-gleichen Avataren, vulgo „Läufern“, sowie einer hochmögenden und respektvoll „Dame“ titulierten Begleiterin – um die Vorherrschaft ringen in einer radikal geschrumpften 64-Felder-Arena, bloß die abgewandelte Variante eines uralten Mind Sports, dessen Wurzeln bis ins Indien des fünften nachchristlichen Jahrhunderts zurückreichen.

Foto: Christian Borrmann
Foto: Christian Borrmann

Ein tiefgründiges und facettenreiches Spiel, das in der arabischen Welt unter dem Namen „Shatranj“ vor gut 1300 Jahren eine regelrechte Welle auslöste. Mit spektakulären Duellen in den Palästen der Kalifen und umjubelten Champions, gegen deren glamourösen Promistatus heute selbst ein Magnus Carlsen, der von den Medien in der Gegenwart zum Popstar im modernen Standardschach stilisiert worden ist, leicht blässlich wirkt – abgesehen davon, dass sich der sonst eine betont relaxte Boy-Next-Door-Pose kultivierende norwegische Weltmeister obendrein noch im Schweiße seines Angesichts ab dem 9. November 2018 in London eines deutlich weniger fashionablen, dafür aber nervtötend zähen Herausforderers Fabiano Caruana aus den USA erwehren muss.

Dem einschlägigen Original des ehrwürdigen Game of Thrones, das „Elefanten“ und „Wesire“ statt der erwähnten „Läufer“ und „Damen“ aufbietet, wird nun schon zum zweiten Mal ein Turnier in Deutschlands Hafenmetropole im Norden gewidmet, nach der viel beachten Premiere in der Hansestadt während der Arabischen Kulturwochen 2016.

Beste Frau beim ersten Shatranj-Turnier 2016 in Hamburg: Asia Haidar (li.). Tunesiens Konsulin Sonia Ben Amor (Mitte), Nachwuchstalent Ananya Mathapati (2.v.re.) und Initiator René Gralla (re.) zollen Respekt. Foto: Bernd-Jürgen Fischer.
Beste Frau beim ersten Shatranj-Turnier 2016 in Hamburg: Asia Haidar (li.). Tunesiens Konsulin Sonia Ben Amor (Mitte), Nachwuchstalent Ananya Mathapati (2.v.re.) und Initiator René Gralla (re.) zollen Respekt. Foto: Bernd-Jürgen Fischer.

Neben anderen Medien hatte die Berliner Tageszeitung TAZ darüber berichtet, und zwar in Form eines Interviews mit dem seinerzeitigen Cheforganisator René Gralla.

„Bewahrer des Kalifen-Schachs“ – Bericht in der Berliner TAZ vom 24. Oktober 2016 (PDF-Download)

Und jetzt startet im Rahmen der diesjährigen Arabischen Kulturwochen das „2. Sa’id Ibn Jubair-Shatranj-Memorial“ am 27. Oktober 2018 um 12 Uhr im Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Dammtor.

Der legendäre Namensgeber des Wettkampfes im eng getakteten 15-Minuten-Modus (pro Teilnehmer und Partie) stammte aus dem muslimischen Einflussbereich in Afrika und machte Karriere als Richter. Vor allem aber hat sich Sa’id Ibn Jubair (665-714) ewigen Nachruhm mit einer besonderen Gabe gesichert: Der Meister mit dem Megahirn schlug die Konkurrenz gerne ohne Ansicht des Brettes und gilt deswegen als erster Blindspieler unter den Denkathleten.

Der Leistungsvergleich im Protoschach Shatranj, an dessen Geschichten aus Tausendundeiner Nacht derart legendäre Persönlichkeiten gestrickt haben, ist am letzten Sonnabend des Goldenen Herbstmonats eingebettet in einen Tunesientag, der seinerseits regelmäßig zu den Highlights der Arabischen Kulturwochen zählt.

Das Original mit Elefanten, aber ohne Damen: Turnier im arabischen Protoschach Shatranj auf dem Tunesientag 2018 in Hamburg.
Das Original mit Elefanten, aber ohne Damen: Turnier im arabischen Protoschach Shatranj auf dem Tunesientag 2018 in Hamburg.

Die Schirmherrschaft der Veranstaltung hat Frau Konsulin Sonia Ben Amor übernommen, die offizielle Repräsentantin der Tunesischen Republik an Elbe und Alster. Gesponsert wird das Event von der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft e.V. (DTG), insbesondere dank des Engagements von Gabriele Kamensky, DTG-Sektionsleiterin in Hamburg.

All Smiles für das Comeback des Klassikers: Auf das zweite Turnier in Arabiens traditioneller Schachversion Shatranj freuen sich Tunesiens Konsulin Sonia Ben Amor (Mitte), Schirmherrin des Wettbewerbs, und Gabriele Kamensky (li.) von der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft. Zum Supporter-Team gehört auch Journalist René Gralla (re.), der kongenial unterstützt vom Hamburger Schachlehrer Jürgen Woscidlo (hier nicht auf dem Bild) den aktuellen Shatranj-Relaunch auf den Weg gebracht hat.
All Smiles für das Comeback des Klassikers: Auf das zweite Turnier in Arabiens traditioneller Schachversion Shatranj freuen sich Tunesiens Konsulin Sonia Ben Amor (Mitte), Schirmherrin des Wettbewerbs, und Gabriele Kamensky (li.) von der Deutsch-Tunesischen Gesellschaft. Zum Supporter-Team gehört auch Journalist René Gralla (re.), der kongenial unterstützt vom Hamburger Schachlehrer Jürgen Woscidlo (hier nicht auf dem Bild) den aktuellen Shatranj-Relaunch auf den Weg gebracht hat.

Kandidaten, die sich der Herausforderung stellen wollen, richten eine entsprechende Email an Turnierdirektor Jürgen Woscidlo oder melden sich persönlich im Turniersaal an spätestens eine halbe Stunde, bevor die erste Runde freigegeben wird.

Zur Einstimmung kann sogar passende Musik aus dem Web runtergeladen werden: eine Hymne auf Beirut, neben Tunesiens Kapitale Tunis eines der kosmopolitischen Zentren an den Ufern des Mittelmeers.

Besagter Song ist das Gemeinschaftsprojekt zweier Aficionados, die gerade auch für die Mattkunst brennen. Die Melodie zu „Cool Moon Of Beirut“ hat Rainer Schnelle komponiert, ein Jazzmusiker und Ligasportler aus dem Schleswig-Holsteinischen Barmstedt; die Lyrics texte der Autor René Gralla. Für den Hamburger Journalisten, der zusammen mit dem Sinstorfer Schachlehrer Jürgen Woscidlo (seines Zeichens amtierender Ansprechpartner für das „2. Sa’id Ibn Jubair-Shatranj-Memorial 2018“) das lange in Vergessenheit geratene Spiel vom Hof der Kalifen endlich verstärkt in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit rücken möchte, ist die Wiederentdeckung des Kulturguts aus den Schatzkammern des Orients eine Herzensangelegenheit. Schließlich könne auf diese Weise ein wertvoller Beitrag zur Integrationspolitik geleistet werden: „Geflüchtete aus dem Arabischen Raum dürfen voller Stolz erfahren, dass einem Spiel, das ihre Ahnen gepflegt haben, in Deutschland neue Wertschätzung entgegengebracht wird.“ Das sei ein höchst wirksames Tool, um den Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft zu fördern.
Das Beirut-Lied wird übrigens gesungen von den hinreißenden „4 Cats“, einer der erfolgreichsten Girl-Bands im Nahen Osten.
Das Revival des Shatranj zu den heißen Beats der 4 Cats – who can stop that now?!


„2. Sa’id Ibn Jubair-Shatranj-Memorial 2018“ am 27. Oktober 2018 in Hamburg, Asien-Afrika-Institut der Universität, Hauptgebäude / Flügel Ost (Raum 121), Edmund-Siemers-Allee 1 (Nähe Bahnhof Dammtor); Beginn 12:00 Uhr (voraussichtliches Ende gegen 17:30 Uhr); Voranmeldungen per Email an <jwoscidlo@msn.com> oder direkte Anmeldung vor Ort am Wettkampftag im Turniersaal bis spätestens 11:30 Uhr.


Programm der Arabischen Kuturwochen 2018 als PDF zum Download

Drama in Thailand vor 250 Jahren – wird an der Uni Hamburg diskutiert … und Thaischach ist auch dabei! Mit dem One-Day-Gedenkturnier „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“

Von René Gralla

Kleine Kegel stehen Spalier, wie aus dem Experimentierkasten eines Pagodenbaumeisters. Dazwischen die Köpfe stolzer Pferde, die sich gerade zu sammeln scheinen für einen flotten Aufgalopp. Hinweg über Reihen runder Stolpersteine, die offenbar die Grenzen zweier Territorien markieren.

Startaufstellung im Thaischach - die verblüffende Assoziationen weckt: Haben unbekannte Einflüsterer aus Japans Shogi-Szene einst gute Tipps gegeben?! Foto: Christoph Harder
Startaufstellung im Thaischach – die verblüffende Assoziationen weckt: Haben unbekannte Einflüsterer aus Japans Shogi-Szene einst gute Tipps gegeben?! Foto: Christoph Harder

Gleich wird Bewegung kommen in dieses dreidimensionale Stillleben, das die Gedanken zu verträumten Tempeln fliegen lässt, an den Ufern von Mekong und Chao Phraya. Während aus anderen Sphären sanfte Melodien rüberwehen, die allein der Betrachter hören kann. Sehnsuchtsvoll und hitzeschwer, und der Wunsch wird schier übermächtig, dass dieser süße Schmerz nie vergehen möge.
Und dabei wird hier doch eigentlich nur Schach verhandelt. Allerdings ist an diesem frühwinterlichen Sonnabend in der Universität Hamburg eben gerade nicht die handelsübliche Standardversion das Thema: Am 9. Dezember 2017 im Afrika-Asien-Institut versammeln sich Enthusiasten und spontan Motivierte, die gemeinsam eine spezielle Version der Mattkunst zelebrieren wollen – nämlich das hierzulande beinahe unbekannte, in seiner Heimat jedoch äußerst beliebte „Makruk“, aus dem viel zitierten Land des Lächelns. Und das hat auch ein bisschen mit Shogi (!!) zu tun … aber dazu später mehr.

Foto: Christoph Harder
Foto: Christoph Harder

Passender Anlass ist der Thai-Tag 2017, der Wissenschaftler, Studenten und Menschen, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen für Politik, Wirtschaft und Kultur im südostasiatischen Raum interessieren, in der Vorweihnachtszeit zum Zentralkomplex der hansestädtischen Alma Mater führen wird, wenige Schritte entfernt vom Bahnhof Dammtor an der Edmund-Siemers-Allee.

Nach der Katastrophe nie mehr aufgebaut: Wat Chai Watthanaram in den Ruinen von Ayutthaya
Nach der Katastrophe nie mehr aufgebaut: Wat Chai Watthanaram in den Ruinen von Ayutthaya

Schließlich ist die Veranstaltung einem turbulenten Zeitabschnitt gewidmet, der vor 250 Jahren eine dramatische Zäsur in der Geschichte des Königreiches markiert hat: die Zerstörung der einst prachtvollen Hauptstadt Ayutthaya nach der Besetzung durch die Burmesen am 7. April 1767 – ein Desaster, das im kollektiven Gedächtnis der stolzen Nation bis heute nachhallt – ; und der überraschende Gegenschlag wenige Monate später, als eine neu formierte thailändische Armee am 6. November 1767 bei Thonburi triumphierte und die Wende im Dauerkonflikt mit dem benachbarten Myanmar einleitete.

Ort der Wiedergeburt von Siam: Thonburi, das in der Gegenwart zu Bangkok gehört.
Ort der Wiedergeburt von Siam: Thonburi, das in der Gegenwart zu Bangkok gehört.

Held von Thonburi war der damalige General und spätere König Taksin. Und weil der geniale Feldherr – dessen Name allein per Zufall ähnlich klingt wie der Exilpolitiker Thaksin Shinawatra in der Gegenwart – neben überragenden militärischen Fähigkeiten obendrein auch am Brett der traditionell siamesischen Schachvariante Makruk seine Herausforderer cool abstrafte, soll nun während des Hamburger Thai-Tages 2017 folgerichtig ein entsprechendes Turnier an die epochalen Ereignisse vor einem Vierteljahrtausend erinnern. Unter einem Leitmotiv, das dem Anlass gerecht wird: „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“.

Hamburger Wettkampf im Thaischach zu Ehren des Retters von Siam: Taksin der Große (1734-1782).
Hamburger Wettkampf im Thaischach zu Ehren des Retters von Siam: Taksin der Große (1734-1782).

Abgesehen vom biographischen Bezug zum Mann, der Siam wieder aus dem Tal der Tränen führte, gibt es überdies auch einen ohne Übertreibung genuin militärtheoretischen Grund, jetzt ausgerechnet mit einem Wettkampf im Makruk an den erfolgreichen Sturm der Taksin-loyalen Verbände auf das von Burma-Kollaborateuren besetzte Fort Thonburi zu erinnern. Dem brillanten Taktiker Taksin gelang der legendäre Coup primär deswegen, weil er die 5000 Soldaten seiner Armee mit schlanken Flussschiffen den Chao Phraya hochfahren ließ – und im Szenario des Makruk, das der gewiefte Troupier als eine Art Trockenübung schätzte, sind explizit und passend „Boote“ die kampfstärksten Einheiten (deren Part übernehmen im internationalen Schach die vergleichsweise fantasy-like konzipierten „Türme“).


>> Thaischach ist eine amphibische Battle – wie die Makruk-Aktivisten Jürgen Woscidlo und René Gralla an einem Mega-Set (aus der Heimwerkstatt Gralla) vorführen, während eines Testmatches, das am 16. April 2017 in Sinstorf ausgefochten wurde.

Vor diesem Hintergrund bietet das „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ die unverhoffte Gelegenheit, Taksins Vorstoß Richtung Thonburi quasi als Versuchsanordnung im verkleinerten Maßstab nachzustellen.

Per Schiff zum Sieg gleiten - im Szenario des Makruk, das beeinflusst ist von der Topographie Südostasiens, wo Wasserwege oft die besten Verkehrsverbindungen sind (ein armiertes und bemanntes rotes Boot ankert oben rechts im Theatre of Operations ). Foto: Christoph Harder
Per Schiff zum Sieg gleiten – im Szenario des Makruk, das beeinflusst ist von der Topographie Südostasiens, wo Wasserwege oft die besten Verkehrsverbindungen sind (ein armiertes und bemanntes rotes Boot ankert oben rechts im Theatre of Operations ). Foto: Christoph Harder

Das Turnier verwandelt sich gewissermaßen in eine Geschichtswerkstatt; ein pädagogischer Aspekt, der augenfällig wird vor einem Set, das der Verfasser dieser Zeilen (der Autor René Gralla) gefertigt hat und im Spielsaal installieren wird. Semi-realistische Optik (unter Verwendung von Playmobil-und Legofiguren) ersetzt das abstrakte Design des Originals.

Was eine Partie Makruk wirklich darstellt: Hauen und Stechen in überschwemmten Reisfeldern; im Bild ein entsprechendes Reenactment im Bonsai-Format mit dem von "Ayutthaya-Thonburi-Memorial"-Planer René Gralla produzierten Showroom-Set. Foto: Christoph Harder
Was eine Partie Makruk wirklich darstellt: Hauen und Stechen in überschwemmten Reisfeldern; im Bild ein entsprechendes Reenactment im Bonsai-Format mit dem von „Ayutthaya-Thonburi-Memorial“-Planer René Gralla produzierten Showroom-Set. Foto: Christoph Harder

Eine blau eingefärbte Fläche symbolisiert Überschwemmungsgebiete – wie sonst könnten maritime Einheiten zum Makruk-Arsenal gehören?! – , und über mehrere Planquadrate zieht sich der schicksalhafte Schriftzug „Thonburi“, in thailändischen Lettern.

Schach aus dem alten Siam im Playmobil- und Lego-Look an der Universität Hamburg: eine  interaktive Geschichtswerkstatt, um den in Thailand unvergessenen Tag von Thonburi (6. November 1767) nachzuspielen, siehe der weiße Schriftzug in der Mitte des Spielplans. René Gralla (li.) stellt sich dem Makruk-Talent Paul Geißler (2. v. re.), während die Jungstars Ghreesham Manjunath (2. v. li.) und Konrad-Leo Adler (re.) wertvolle Tipps geben. Foto: Christoph Harder
Schach aus dem alten Siam im Playmobil- und Lego-Look an der Universität Hamburg: eine interaktive Geschichtswerkstatt, um den in Thailand unvergessenen Tag von Thonburi (6. November 1767) nachzuspielen, siehe der weiße Schriftzug in der Mitte des Spielplans. René Gralla (li.) stellt sich dem Makruk-Talent Paul Geißler (2. v. re.), während die Jungstars Ghreesham Manjunath (2. v. li.) und Konrad-Leo Adler (re.) wertvolle Tipps geben. Foto: Christoph Harder

Makruk-Partien simulieren im Ergebnis amphibische Operationen, im Fahrwasser des Siegers von Thonburi. Aber damit nicht genug: Das Siamschach-Event im Rahmen des Thai-Tages 2017 weist last not least eine spannende spielhistorische Komponente auf. Denn der sperrige Denksport in seiner aktuellen Form, wie sie zu Beginn des dritten Millenniums sogar Chefredakteure von Lifestyle-Magazinen neugierig macht – ein Verdienst des trendbewussten norwegischen Weltmeisters Magnus Carlsen, der im Nebenjob als Posterboy für G-Star-Jeans posiert – , ist in Wahrheit bloß die radikal veränderte Fassung jenes Originals, das vor gut 1500 Jahren in Indien erfunden wurde. Die Regeln des ehrwürdigen „Chaturanga“ vom Subkontinent kamen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kompromisslos auf den Prüfstand; eine Initiative spanischer und italienischer Revoluzzer, die freilich im fernen Siam ohne Resonanz blieb.
Im Makruk fehlen zwei Figuren, die Amateure am modernen Normaloschach oft abturnt: die gnadenlose Killer-Queen und die schnellen Läufer. Stattdessen begleiten den Siamkönig ein bescheidener Adjutant und zwei wuchtige, wenngleich langsame Elefanten; eine respektvolle Verbeugung vor den Vätern des indischen Prototyps Chaturanga.
Aber worin besteht eigentlich die eingangs erwähnte Shogi-Connection? Der Elefant aus dem Makruk verfügt über denselben Aktionsradius wie der Silbergeneral im Shogi, und die jeweils um eine Reihe vorgeschobenen Ausgangsstellungen der Makruk-Soldaten decken sich mit den ähnlich exponierten Startpositionen der Shogi-Infanterie.
Vielleicht haben sich ja die Communities der Gamer in beiden Ländern vor etlichen Generationen lebhaft miteinander ausgetauscht?! Zumal Anfang des 17. Jahrhunderts ein japanischer Bezirk in Siams Kapitale Ayutthaya prosperierte. Die Zone gewann eine Autonomiestatus unter dem Abenteurer Yamada Nagamasa (1590-1630), den es in den Süden verschlagen hatte aus der Hafenstadt Numazu, in der Präfektur Shizuoka auf Nippons Hauptinsel Honshu. Ein Expatriate, der zur Legende wurde als „Samurai von Ayutthaya“, indem er für Siams König Songtham (1590-1628) ein Freiwilligenkorps rekrutierte, das mutig an der Seite thailändischer Verbände focht.

Das „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ öffnet demnach das Stargate zu einem mentalen Trip, der die Gesetze von Zeit und Raum überwindet: Das Open, bei dem auch Neueinsteiger willkommen sind, vermittelt echtes Schach-Feeling pur aus einer Vergangenheit, die sich als verblüffend präsent erweist.

Cool Cat versus Kid: Sumet "Thon" Kraiphlaeng (li.) vor einem knallharten Duell contra Konrad-Leo Adler (re.). In einer vorentscheidenden Runde des "PTT King Naresuan The Great Tournament" 2015, dem Vorläuferturnier zum diesjährigen "Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial" im Afrika-Asien-Institut der Universität Hamburg. Foto: Christoph Harder
Cool Cat versus Kid: Sumet „Thon“ Kraiphlaeng (li.) vor einem knallharten Duell contra Konrad-Leo Adler (re.). In einer vorentscheidenden Runde des „PTT King Naresuan The Great Tournament“ 2015, dem Vorläuferturnier zum diesjährigen „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ im Afrika-Asien-Institut der Universität Hamburg. Foto: Christoph Harder

Gaming back to the roots – eine intellektuelle Wellnesskur ohne nervige Nebenwirkungen: Selbst Anfänger halten routinierten Gegnern lange genug stand, um Niederlagen nicht als demütigend zu empfinden. Im Einklang mit der thailändischen Mentalität, die peinlichen Gesichtsverlust tunlichst zu vermeiden sucht. Langeweile ist trotzdem ausgeschlossen: Den Rundentakt diktiert ein Blitz-Modus (zehn Minuten pro Partie und Kandidat/-in), in Anlehnung an das hohe Tempo, das Siams Retter Taksin seinen Leuten abverlangte.
Mit dem „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ zum Auftakt des zweiten Adventswochenendes 2017 organisieren der Sinstorfer Schachlehrer Jürgen Woscidlo und der Hamburger Journalist René Gralla den dritten Leistungsvergleich in Siams populärem Mind Sport. Die Mini-Turnierserie feierte Premiere im Mai 2012 an der Universität Hamburg. Die Fortsetzung folgte am 13. Juni 2015 als „PTT King Naresuan The Great Makruk Tournament“, das an den 460. Geburtstag des Kriegerkönigs Somdet Phra Naresuan Maharat (1555-1605) erinnerte. Der Herrscher – dessen Agenda gewisse Ähnlichkeiten aufwies zur Lebensleistung von Amtsnachfolger Taksin rund zwei Jahrhunderte später – wehrte burmesische Expansionsversuche ab und schätzte privat ebenfalls das Makruk als strategische Übung.

Erdöl liefert Energie für Makruk: Thailands Staatskonzern PTT steuerte Hauptpreis und Spielsets bei für das "PTT King Naresuan The Great Tournament" 2015 an der Universität Hamburg (zur Freude des Orga-Duos Jürgen Woscidlo, li., und René Gralla, re., die mit dem avisierten "Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial" im ausklingenden Jahr 2017 schon ihr drittes Thaischach-Event auf die Beine stellen). Foto: Christoph Harder
Erdöl liefert Energie für Makruk: Thailands Staatskonzern PTT steuerte Hauptpreis und Spielsets bei für das „PTT King Naresuan The Great Tournament“ 2015 an der Universität Hamburg (zur Freude des Orga-Duos Jürgen Woscidlo, li., und René Gralla, re., die mit dem avisierten „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ im ausklingenden Jahr 2017 schon ihr drittes Thaischach-Event auf die Beine stellen). Foto: Christoph Harder

Wichtiger Supporter des 2015’er Makruk-Memorials war Thailands staatlicher Erdölkonzern PTT, der in seinem Stammland häufig Meisterschaften ausrichtet. Die Marketingabteilung stiftete den Hauptpreis, ein Deko-Set aus Kristall (räumte der 53-jährige Weeraphon Junrasatpanich ab), plus diverse Spielsätze.

Wird Weeraphon Junrasatpanich (vorne re.) auch beim "Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial" ins Rennen gehen? Dann dürfte der "Präsident", das ist sein stilgerechter Kampfname, in den heiligen Hallen der hansestädtischen Hochschule ähnlich souverän die Konkurrenz auf Distanz halten wie 2015 am selben Ort beim "PTT King Naresuan The Great Tournament" (hier im präsidialen Thaischach-Dialog mit Sumet "Thon" Kraiphlaeng, li.). Foto: Christoph Harder
Wird Weeraphon Junrasatpanich (vorne re.) auch beim „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ ins Rennen gehen? Dann dürfte der „Präsident“, das ist sein stilgerechter Kampfname, in den heiligen Hallen der hansestädtischen Hochschule ähnlich souverän die Konkurrenz auf Distanz halten wie 2015 am selben Ort beim „PTT King Naresuan The Great Tournament“ (hier im präsidialen Thaischach-Dialog mit Sumet „Thon“ Kraiphlaeng, li.). Foto: Christoph Harder

Die Co-Sponsorin Naresuan University schickte aus dem thailändischen Phitsanulok eine Statuette ihres royalen Patrons und vereinbarte zugleich – nach hartnäckiger Lobbyarbeit durch Makruk-Aficionado René Gralla – eine Kooperation mit Hamburgs Afrika-Asien-Institut. Ehrgeizige Projekte sind inzwischen auf den Weg gebracht: eine Studie, die nach den Wurzeln des Makruk schürft und die Verankerung des Spiels im Kontext der thailändischen Gesellschaft analysiert; und begleitend eine ambitionierte praktische Aktion, die Makruk in entlegene Dörfer bringen soll. Die Planer möchten die Generationen im Spiel vereinen: Kinder aus benachteiligten Familien gewinnen mathematisches Verständnis, ohne auf teure Unterrichtsmaterialien angewiesen zu sein; und Senioren, die per Makruk mit den Kids kommunizieren, bleiben geistig fit und beugen Demenzerkrankungen vor.

Chess Siam-style verbindet die Generationen: Paul Geißler (re.) misst sich 2015 im "PTT King Naresuan The Great Tournament" mit Surasak "Pi Woey" Pradaenschat (li.), und ähnliche Zusammentreffen wird es natürlich auch 2017 beim "Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial" geben. Foto: Christoph Harder
Chess Siam-style verbindet die Generationen: Paul Geißler (re.) misst sich 2015 im „PTT King Naresuan The Great Tournament“ mit Surasak „Pi Woey“ Pradaenschat (li.), und ähnliche Zusammentreffen wird es natürlich auch 2017 beim „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ geben. Foto: Christoph Harder

Generationendialog und unterhaltsame Entwicklungshilfe: Makruk macht’s möglich. „Wir haben eine lange und herausfordernde Reise begonnen“, schreibt Professor Dr. Volker Grabowsky, Dekan des Hamburger Fachbereichs Thaiistik und Hausherr des Thailand-Tages 2017, in einem Grußwort zum „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“.
Spielen und Dinge bewegen, kann es eine glücklichere Kombination geben?!
Die ersten Schritte sind leicht getan: persönlich einchecken zum Thaischach-Turnier am 9. Dezember 2017 bis spätestens 13:00 Uhr in Hamburgs Afrika-Asien-Institut, Edmund-Siemers-Allee 1, Ostflügel, Raum 121.
Makruk?! Makruk! Mehr geht nicht!

Daumen hoch für das dritte Thaischach-Turnier in Hamburg: Co-Organisator René Gralla (Foto: Quang Nguyen-Chi).
Daumen hoch für das dritte Thaischach-Turnier in Hamburg: Co-Organisator René Gralla (Foto: Quang Nguyen-Chi).r

Hamburg Thai Tag 2017 Flyer.pdf

Time Schedule-Symposium-Ayutthaya_final.pdf