Von René Gralla
Die SIEBEN ist mehr als eine schlichte Zahl. Die SIEBEN transportiert Mythen und Sagen, Emotionen und Traumbilder (Das Buch mit den Sieben Siegeln, Die Sieben Weltwunder der Antike pp.), adelt monumentale Leinwandwerke und All Time Greatest – von Akira Kurosawas 黒澤明 epischem Drama „Sieben Samurai“ 七人の侍 …
… über die Adaption jenes modernen Filmklassikers von 1954 im Kult-Western „The Magnificent Seven“ (1960) und dessen Remake 2016 …
… bis hin zur 1978-er Softrock-Ode „Über sieben Brücken musst du gehn“ der einstigen DDR-Band „Karat“.
Da hat es einen unverkennbar symbolischen Wert, wenn dieser Tage bereits der 7. Kyu-Cup in Hamburg ausgetragen wird, und zwar am 17. Oktober 2020 nur wenige Schritte vom Bahnhof Altona entfernt an der Max-Brauer-Allee Nr. 60 im örtlichen Konfuzius-Institut (dessen bisherige Kooperation mit der Uni Hamburg allerdings von der norddeutschen Seite auf Grund der gegenwärtigen politischen Verhältnisse in der Volksrepublik China zwischenzeitig gecancelt worden ist zum Ende des laufenden Jahres).
Die neuerliche Ausrichtung des Turniers, das 2014 seine Premiere gefeiert hat, wird in der aktuellen Saison kein Selbstläufer, vor dem Hintergrund der sich momentan wieder verschärfenden Corona-Pandemie. Entsprechend hat der einladende Uwe Frischmuth für das Fünf-Runden-Rennen am dritten Oktobersonnabend ein strenges Hygienekonzept ausgearbeitet: Maskenpflicht am Brett, und nach Partieschluss werden die benutzten Sets penibel desinfiziert.
Umso ermutigender ist es, dass – im Gegensatz zu Thailand oder China, wo die Hausnummer SIEBEN eher misstrauisch beäugt wird – die ominöse Zahl in Japan als glückverheißend gilt. Im Kaiserreich unter dem Sonnenbanner gehören nämlich die Shichi Fukujin 七福神 aka „Die Sieben Glücksgötter“ zum festen Personal des Volksglaubens. Und erfreuen sich großer Popularität, weil dem Gute Laune-Septett eine ausgesprochene Schwäche für irdische Lustbarkeiten nachgesagt wird: Die fröhlichen Geister sollen gerne feiern und trinken und obendrein – eine spannende Nachricht für alle Aktiven im Shogi – einem flotten Match niemals abgeneigt sein.
Mit den Shichi Fukujin als mächtigen Supportern sollte folgerichtig beim 7. Kyu-Cup 2020 eigentlich nichts mehr schief gehen. Zumal einer der Unsterblichen, das ist der ewig lachende Daikoku-ten 大黒天, …
… wenigstens mittelbar dem Shogi verbunden ist. Daikoku wird niemals gesehen ohne einen dicken Hammer, der im Bedarfsfall die Dinge robust zum Besseren wendet, und just das genannte fette Werkzeug überzeugte seinerseits Daimyô Toyotomi Hideyoshi 豊臣秀吉(1537-1598), auf den Glücksgott als höchstpersönlichen Beschützer zu setzen. Der geniale Militär, einer der Drei Reichseiniger während der Bürgerkriegsphase im 16. Jahrhundert, war nach übereinstimmenden Quellenberichten ein Liebhaber des Shogi, und folgerichtig wurde denn auch von geschichtsbewussten Hamburger Aktivisten zum Gedenken an den 480. Geburtstag des legendären Feldherrn am 11. März 2017 ein „Toyotomi-Hideyoshi-Shogi-Memorial“ organisiert und wir dürfen zu Recht vermuten, dass auch der spielfreudige Daikoku den historischen Wettkampf aus der parallelen Vierten Dimension voller Wohlwollen beobachtet hat.
In diesem Zusammenhang verdient ein weiteres Mitglied der Shichi Fukujin besondere Erwähnung: das ist die anmutige Benzai-ten 弁才天 …
… ihres Zeichens enthusiastische Förderin von Musik und Kunst. Und unabhängig davon, dass Shogi selbstverständlich auch den künstlerischen Ausdrucksformen zuzurechnen ist, kann die Lichtgestalt Benzai-ten – in ihrer Funktion als einzige weibliche Gottheit im transzendenten Klub der Shichi Fukujin – nun mit Blick auf den 7. Kyu-Cup vielleicht noch eine Special Mission ausführen: den in der Vergangenheit beklagenswert Testosteron-lastigen Young And Old Boys‘ Club mutig in ein zeitgemäß diverses* Event zu transformieren.
Schließlich brillieren im Shogi auch viele junge und toughe Frauen, und absolutes Role Model ist die 28-jährige Polin Karolina Styczinska, die in Japan sensationell zum Profi aufgestiegen ist.
Da wäre es doch gelacht, wenn es nicht endlich gelingen würde, auch einige der ehrgeizigen Sportlerinnen aus dem deutschen Talent Pool für einen Start in Hamburg zu gewinnen.
Die passende Hymne zur Motivation – und insofern voll auf Linie mit Benzai-ten, die ihre göttliche Aufmerksamkeit eben auch den Kreativen der Tonkunst schenkt – hat die wunderbare Marsha Hunt, eine Ikone der Pop-Kultur in den Roaring Sixties und Seventies, schon 1970 vorgetragen: „Keep The Customer Satisfied“ …
… ein ohne Übertreibung programmatischer Titel, bei dem Shogifans statt „Customer“ bloß „Castle Keeper“, zu Deutsch: „Burgvogt“, mitsummen müssen …
… und letzteres ist außerdem ein prima Tipp für den 7. Kyu-Cup an der Elbe: ein klasse Castle garantiert krasses Punkten!
„Keep The Castle Keeper Satisfied …“ – mit den Shichi Fukujin als schützenden Spirits In The Sky** und der atemberaubenden Marsha Hunt, die uns anfeuert, setzen wir das nervige Virus unerschrocken Matt: HISSHI CONTRA COVID-19!
* Klarstellung zwecks Wahrung der Genderetikette: bei allen Formulierungen, die in diesem Text gegebenenfalls einen Genderbezug haben, sind selbstverständlich alle Möglichkeiten geschlechtlicher Orientierung und Selbstdefinition mitzudenken.
** Reverenz des Autors an den Psychedelic Rocksong und Megahit „Spirit In The Sky“ (1969 vom US-Sänger Norman Greenbaum veröffentlicht)