Hon’inbô Sansa 本因坊算砂 – Lehrer der drei Reichseiniger

Von Fabian Krahe

Hon’inbô Sansa (1559-13.06.1623) zählt zu den stärksten Go- und Shôgispielern der Zeit der streitenden Reiche und der beginnenden Edo-Periode. Obgleich Hon’inbô am bekanntesten für seine Leistung im Go ist, war er doch auch ein bedeutender Shôgi-Spieler. Er war der erste und einzige Leiter des Amtes für Go und Shôgi 碁将棋所.

Hon’inbô Sansa 本因坊算砂 (1559-13.06.1623)

Hon’inbô wurde ursprünglich mit dem Namen Kanô Yosaburô 加納與三郎 in Kyôtô geboren. Bereits im Alter von neun Jahren kam er in ein buddhistisches Kloster und erhielt dort den Dharmanamen 戒名 / 法名 Nikkai 日海. Ein Dharmaname wird entweder beim Eintritt in ein Kloster verliehen oder beim Tot eines besonders frömmigen Menschen. Heutzutage sind Dharmanamen recht stark kommerzialisiert. Als Teil einer Beerdigungszeremonie sind sie für etwa 10000 Yen zu erstehen. Erst etwa 1605 nahm er den Namen Hon’inbô an. Als ein Mönch der Nichiren-Sekte konnte Hon’inbô sich nun dem Go und dem Shôgi widmen und wurde schnell ein hervorragender Go-Spieler und starker Shôgi-Spieler.

Die Zeit von 1467 bis 1615 in Japan wird als Sengoku-Jidai 戦国時代, die Zeit der streitenden Reiche, bezeichnet. Die Macht der Zentralregierung, das sogenannte Ashikaga-Shôgunat 足利幕府, zerfiel durch den Ônin-Krieg 応仁の乱 von 1867-77. Dadurch wurde Japan in einer Zeit konstanten Bürgerkriegs zwischen den lokalen Feudalherren, den Daimyô 大名, gestürzt. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts konnte sich der Daimyô Oda Nobunaga 織田信長 (1534-82) mit seinem Vasallen Toyotomi Hideyoshi 豊臣秀吉 (1537-1598) und seinem Verbündeten Tokugawa Ieyasu 徳川家康 (1543-1616) gegen die anderen Daimyô durchsetzen und das Land wieder einen. Diese drei werden daher auch als die drei Reichseiniger 三英傑 Japans bezeichnet. Nobunaga gelang es, alle anderen starken Daimyô in Japan zu unterwerfen, indem er eine intelligente Wirtschaftspolitik umsetzte, die ihm ein stehendes Heer erlaubte. Zudem rüstete er als erster Daimyô seine Armee massiv mit europäischen Feuerwaffen aus, und beförderte seine Untergebenen nach Leistung ungeachtet deren Standes. Oda wurde jedoch 1582 von seinem Gefolgsmann Akechi Mitsuhide 明智光秀 (1528-1582), den er einmal im betrunkenen Zustand demütigte, verraten und beging Seppuku 切腹, rituelle japanische Selbsttötung, um ihm nicht in die Hände zu fallen. Nachdem sein Gefolgsmann Toyotomi Akechi nach nur 13 Tagen vernichtend schlug und dieser auf der Flucht getötet wurde, stieg Toyotomi zum Herrscher Japans auf und übernahm später den Titel des Kampaku 関白. Tokugawa, der bereits mit Oda Nobunaga verbündet war, strebte nach Toyotomis Tod die Alleinherrschaft Japans an. 1600 konnte er das Bündnis seiner Gegner in der Schlacht von Sekigahara 関ヶ原の戦い vernichtend schlagen. Er errichtete das Tokugawa-Shôgunat, dass bis 1868 bestehen sollten.

Bereits in der Edo-Zeit wurde die Bedeutung der Reichseiniger betont. Es kam ein Tanka 短歌 in Umlauf, dass sie mit dem Herstellen eines Reiskuchens, Mochi 餅, verglich. Hierbei knetete Oda den Reis, Toyotomi schlug ihn und Tokugawa verzehrte ihn.「織田がつき 羽柴がこねし 天下餅 座して喰らふは 徳の川」
Oben ist eine Darstellung dieses Tanka von Utagawa Yoshitora 歌川芳虎 (aktiv 1836-1882) in Form eines Farbholzschnitts. Er stellte neben Toyotomi auch Akechi Mitsuhide beim Schlagen der Reismasse dar.

Alle drei Reichseiniger wurden von Hon’inbô Sansa im Go unterwiesen und er wurde dafür sehr geschätzt. Über ihre Fähigkeiten soll er gesagt haben, dass alle drei „fünf-Rang“-Spieler 五子 waren, was nach heutigen Maßstäben wohl guten Amateur-Spielern entspräche. Aber es ist anzunehmen, dass bei seiner Bewertung der drei Reichseiniger Diplomatie eine entscheidende Rolle gespielt hat.

Bereits 1579 erhielt er im Alter von nur 20 Jahren von Oda Nobunaga als erster den Titel des Meijin im Go. 1587 wurde ihm von Toyotomi eine offizielle Stelle als Go-Spieler gegeben. Außerdem erhielt er vier koku Reis pro Jahr für seinen Tempel und es wurde ein jährliches Turnier angesetzt, dass er ausrichten sollte. Als Tokugawa 1603 vom Tennô zum Shôgun ernannt wurde, gab Hon’inbô auf dessen Anweisung seine priesterlichen Aufgaben an seinen jüngeren Bruder ab, und wurde der Leiter des Go-Dokoro 碁所, einer Art Amt für Go-Angelegenheiten, die bis zum Ende der Edo-Zeit bestehen sollte. Zum Wahrnehmen seiner Aufgaben erhielt er 50 koku Reis jährlich und fünf Diener. Zu den Aufgaben als Leiter zählten unter anderem die Unterweisung des Shôguns im Go, die Zustimmung zur Beförderung von Spielern und zu den Bedingungen von Herausforderungsspielen. Nicht zuletzt ware der Leiter ein Mediator zwischen den vier großen Go-Schulen und musste dafür sorgen, dass alles in der Go-Welt lief, wie es sollte. Hon’inbô Sansa gründete auch die größter der vier Go-Schulen, dessen Vorsitz er innehatte. Die Künste jener Zeit, neben Go und Shôgi auch Teezeremonie, Ikebana oder Martial-Arts, waren nach dem sogenannten Iemoto-System 家元 organisiert. Die Shôgi-Welt wurde damals in zunächst zwei, kurze Zeit später drei Schulen bzw. Familien aufgeteilten. Innerhalb jeder Schulen werden Praktiken und Wissen zu weitergegeben. Die Schulen überwachten damit, wer dieses Wissen erlangen konnte und vergaben Lizenzen, die zum Teil kostenpflichtig zu erstehen waren, damit die Schüler ihrerseits in der Schule aufsteigen und ihr Wissen weitergehen durften. Das Ieomoto-System wurde zu Recht als teuer, nepotistisch, autoritär und undemokratisch beschrieben und kritisiert. Alle drei Shôgi-Familien lösten sich in der Meiji-Zeit (1868-1912) auf. Die entsprechenden vier großen Go-Familien lösten sich ebenso auf.

Es ist davon auszugehen, das Hon’inbô zunächst sowohl für Go und Shôgi zuständig war. Erst 1612 wurde ein unbhängiges Shôgi-Dokoro 将棋所 gegründet, dem Ôhashi Sokei I. 初代大橋宗桂, ein Händler aus Kyôtô, vorstand, der Hon’inbô in den Jahren zuvor deutlich im Shôgi überflügelt hatte. Beide sollen laut dem Shôgishu insgesamt 124 Mal gegeneinander gespielt haben. 70 Mal inoffiziell vor 1612 und 54 Mal zwischen 1612 und 1615, doch sind heute nur noch einige Kifu erhalten geblieben. Ein Wettkampf von sieben Partien 1610-1611 in der Burg von Edo soll Sokei mit zwei zu fünf gewonnen haben. Eine Partie von den beiden aus dem Jahr 1607 ist die älteste überlieferte Shôgipartie.

Hon’inbôs Beitrag zur Entwicklung des Go mag bedeutender sein als für das Shôgi. Doch sollte hierbei bedacht werden, dass das Go eine deutlich längere Tradition in Japan aufweisen kann. Es kam bereits im 8. Jh. mit dem chinesischen Kulturimport nach Japan und erlebte bereits ein frühe Blüte am kaiserlichen Hof in einer Zeit, von der wir noch nicht einmal mit Sicherheit sagen können, ob und wie Shôgi gespielt wurde. Die ältesten erhaltenen Shôgisteine stammen aus dem 11. Jh. und die Regeln des heutigen Shôgi nahmen erst Mitte des 16. Jh. gestalt an, obgleich sie in Details bezogen auf Wettkämpfe noch bis in die späte Neuzeit im Fluss blieben. Es ist sicherlich nicht verkehrt davon auszugehen, dass diese Verbindung von Go und Shôgi in der Person von Hon’inbô Sansa – es war damals im Übrigen nicht unüblichen, dass ein Go-Spieler ebenfalls Shôgi spielte und umgekehrt – mit zur Etablierung des Shôgi zu Beginn der Tokugawa-Zeit beigetragen hat.

In Tony Hosking: Classic Shogi. Games Collection, Tintagel 2006, S. 1-7, finden sich zwei kommentierte Partien von Hon’inbô. Die Erste ist von 1607 gegen Ôhashi Sokei I. und die Zweite von 1619 gegen Ôhashi Sôko 二代大橋宗古 (1576-1654), ein Sohn Ôhashi Sokeis I.

Partien von Hon’inbô Sansa in der 将棋DB2 Database.

Gedenkstele an Hon’inbô Sansa am Jakkoji 寂光寺 in Kyôtô via Wikimedia. Errichtet 1822.