K-Pop auf dem Brett und Tauziehen mit Riesenwürsten

Von René Gralla

Vielleicht findet sich ja im virtuellen Netz der neunzig Knotenpunkte die eine und entscheidende Schnittstelle. Nordkoreas Führung wacht streng über ihren Herrschaftsbereich, kontrolliert natürlich auch den Cyberspace. Und doch öffnet sich gerade im digitalen Paralleluniversum eine versteckte Passage für überraschende Kontakte, und die hat etwas zu tun mit einem seit Jahrhunderten auf der Halbinsel gepflegten Freizeitspaß: dem Janggi.

Denn ausgerechnet jenes strategische Spiel, in dem die beiden Kontrahenten um 90 Positionen auf dem Brett ringen – mit gewissen Anklängen an das internationale Schach – , kann online gezockt werden auf einem Server, der unter dem Label Red Star OS 2.0 firmiert und hinter dem offenbar (nomen est omen!) nordkoreanische Entwickler stecken. Ein Ausflug per Internet dank Janggi zu den Genossen des Kim Jong Un? Das ist eine Perspektive, die den Hamburger Uwe Frischmuth seit Monaten umtreibt: „Unglaublich, was ein uraltes Spiel sogar im dritten Millennium noch bewegen kann!“ Und folgerichtig arbeitet der 59-jährige Sozialpädagoge hoch motiviert daran, das besagte Janggi jetzt auch nach Europa zu importieren.

Zumal Koreas Antwort auf die klassische Königsjagd westlicher Provenienz viel spannender ist als das hierzulande bekannte Gegenstück. Im Szenario des Janggi, das seinerseits verwandt ist mit Chinas Xiangqi (übersetzt: „Elefantenspiel“), kommt neben überlieferten Einheiten (Wagen, Reiter, Elefantenkorps) auch quasi futuristisches Gerät zum Einsatz. Das sind die Kanonen, die aber eher modernen Helikoptern ähneln, weil sie ihre Ziele durch den Luftraum erreichen können.

Die Koreaner waren eben schon oft ihrer Zeit weit voraus. Der legendäre Admiral Yi Sun-sin wehrte Ende des 16. Jahrhunderts vielfach überlegene japanische Invasionsflotten ab, und das Wunder möglich machten revolutionäre Turtle Ships: deren Decks waren armiert mit fiesen Eisenspitzen, und Drachenköpfe am Bug spuckten tödliches Feuer. Entsprechend lassen sich die Kanonen in der Miniaturwelt des Janggi als gewissermaßen fliegende Turtle Ships definieren.

Im Jahr 2018 wird am 16. Dezember des 420. Todestages von Admiral Yi Sun-sin (geboren 28.4.1545, gestorben 16.12.1598) gedacht: der legendäre Kommodore, einer der größten militärischen Führer in der Geschichte Koreas, trotzte 1597 in der epischen Seeschlacht von Myongnyang mit nur 13 (!!) Schlachtschiffen einer drückend überlegenen japanischen Invasionsflotte, die aus 333 (!) Einheiten bestand. Foto: Shizhao, CC BY-SA 3.0

Dass die stolze Marine des Kaiserreichs unter dem Sonnenbanner damals derart gedemütigt wurde – nicht zuletzt wegen Koreas brutal effektiver Turtle Ships – , hat offenbar tiefe Verwüstungen in Nippons kollektiver Seele angerichtet. So dass in Japan – gewissermaßen als unbewusste Weiterdrehe des Konzepts der koreanischen Turtle Ships – genau 377 Jahre nach dem Desaster von Myongnyang die Anime-Serie „Uchu Senkan Yamato“ gestartet wurde, mit einem ziemlich durchgeknallten Plot. In „Space Battleship Yamato“, so der englische Titel, soll nämlich das unvergessene Mega-Schlachtschiff Yamato (das während des Zweiten Weltkriegs zum Schrecken der US-Navy wurde, bis es am 7. April 1945 durch nordamerikanische Trägerflugzeuge versenkt wurde) die Menschheit der Zukunft vor einem Angriff aus dem All retten. Indem der Stahlkoloss wieder aufgeflitzt und umgerüstet wird – und sich anschließend dank Hypertechnik elegant in die Lüfte erhebt (!), zwecks Jagd auf die fiesen Aliens.

Die Produktion von Yomiuri TV begeisterte die Fans, gewann rasch Kultstatus in Japan, so dass die Serie anschließend zu einem Kinofilm mit realen menschlichen Darstellern verdichtet worden ist.

Die in Japan erst in den Tagen der Moderne erdachte Vision vom „Space Battleship Yamato“ ist aber eben, und da schließt sich der Kreis, im Mutterland der zu ihrer Zeit hochmodernen Turtle Ships bereits als eine Art Concept Art vorweggenommen worden, nämlich im verkleinerten Maßstab auf dem Brett des Janggi in Gestalt der geradezu futuristischen Kanonen-Einheiten, sprich: der besagten Flying Turtle Ships. Und auch in der Gegenwart gehören die Koreaner wieder zur Avantgarde, was Technologie im Allgemeinen sowie Gamedesign und Spielkultur im Speziellen angeht. Nicht von ungefähr dominieren Südkoreas E-Sportler die internationale Konkurrenz, und bei Ligakämpfen in StarCraft II oder League of Legends versammeln sich tausende von Zuschauern in Arenen vor gigantischen Screens.

Last not least begeistern sich seit der 2012 produzierten viralen Tanznummer „Gangnam Style“ immer mehr Fans rund um den Globus für junge und freche Unterhaltungsstars aus Fernost.

Der weltweit erfolgreiche südkoreanische Chartsstürmer „Gangnam Style“ … mit einem überraschenden Detail nach 52 Sekunden im Clip: Dort wird, sexy K-Pop-Girls hin oder her, von Game-Junkies heftig Janggi gezockt.

Der Norddeutsche Uwe Frischmuth liegt demnach voll im Trend, wenn er Koreas populären Denksport Janggi nun auch zwischen Hamburg, Berlin und München etablieren möchte. „Janggi ist wie K-Pop auf dem Brett“, schwärmt er und hat bereits mit dem Sinstorfer Schachlehrer Jürgen Woscidlo, der Frischmuths Leidenschaft teilt, im Oktober 2017 ein erstes Turnier in der Hansestadt organisiert.

Und einen Monat später flog das Team Frischmuth und Woscidlo – komplettiert durch den Neueinsteiger Martin Wolff – nach Seoul zu einer Janggi-WM, die dort der Fernsehsender Brain TV ausgerichtet hatte. „Das ist der Wahnsinn, bei denen schalten regelmäßig 1,5 Millionen Zuschauer ein“, berichtet der noch Wochen später sichtlich beeindruckte Frischmuth. „Das macht neidisch!“

v.l.n.r. Uwe Frischmuth, Jürgen Woscidlo, Martin Wolff und Antonio Barra, der für Italien an der WM teilnahm.

Flugtickets und Hotelkosten wurden von den Veranstaltern gesponsert: eine beachtliche Investition, bei zum Teil weit angereisten Kandidaten aus den USA, Kanada oder Polen. Warum also wollen die Südkoreaner das Janggi plötzlich weltweit promoten?

Wahrscheinlich hat das etwas zu tun mit der aktuellen politischen Großwetterlage, mutmaßt Uwe Frischmuth. Schließlich ist das Schach der schwerelosen Schildkrötenboote auch jenseits des 38. Breitengrades äußerst beliebt, und da möchte man in Seoul auch auf diesem Sektor einfach schneller und besser sein als die schwierigen Schwestern und Brüder aus Pjöngjang.

Demnach wird das kein Spaziergang, die verwegene Vision des Uwe Frischmuth, in der koreanischen Dauerkrise auf einem Schleichpfad über die 90 Wegkreuze des Janggi womöglich einen eigenen kleinen Beitrag zum Wandel durch Annäherung zu leisten. Wahrscheinlich dürften für dieses ehrgeizige Projekt deutlich härtere Bandagen notwendig sein, und als Einstimmung wäre zunächst ein Aufwärmtraining im Juldarigi zu empfehlen. Das ist die koreanische Variante des Tauziehens, aber unter verschärften Bedingungen: Die Zugwerkzeuge mutieren zu unglaublichen Riesenwürsten, die aus Reisstroh geflochten werden und einen Meter Durchmesser erreichen, bei einer Teillänge von maximal 200 Metern pro Seite. Auf diese Weise zerren zwei Mannschaften, bei denen sich neben den Kerlen auch Frauen gnadenlos ins Zeug legen, an einem massiven Pflock, der die Monsterriemen verbindet, bis die Partei West oder Ost triumphiert.

Eine schöne Parabel auf den ewigen Streit um die beiden Koreas. Und sollte nach viel Polit-Juldarigi zwischen Seoul und Pjöngjang tatsächlich ein echter Dialog beginnen – der gemeinsame Auftritt anlässlich der Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang weckt zarte Hoffnungen – , bieten sich für die designierten Unterhändler als vertiefte Vorbereitung im Freien ein paar Extrarunden Biseokchigi an. Im besagten Traditionswettkampf versuchen die Aktiven, einen Holzblock (das kann auch ein Stein sein) mit Hilfe eines anderen Teils aus demselben Material umzuhauen. Das klingt simpel, aber gemeine Auflagen machen den Kandidaten zu schaffen: Bevor die Spieler ihre Attacke starten dürfen, müssen sie einen vorher markierten Punkt auf dem Spielgelände erreichen, und zwar hüpfend und die Angriffswaffe (sprich: Holz oder Stein) wahlweise zwischen die Beine geklemmt oder auf dem Kopf balancierend.

Korea Traditional Game, Tuho. Foto: Kang Byeong Kee, CC BY 3.0.

Mit Blick auf eventuelle bilaterale Gespräche hilfreich wären sicher auch Matches im Tuho, das sonst vor allem zum Rahmenprogramm des Neujahrsfestes gehört. Die Teilnehmer werfen Pfeile und versuchen aus einer gewissen Entfernung, die Geschosse in zwei kleineren und einer größeren Öffnung eines bauchigen Holzgefäßes zu versenken.

Geschickte Treffer platzieren ungeachtet diverser Schikanen: Biseokchigi und Tuho sind die Spiele der Stunde im Korea dieser Tage. Während gut zehn Flugstunden entfernt die Janggi-Enthusiasten Jürgen Woscidlo und Uwe Frischmuth unverdrossen an ihrem eigenen Beitrag zur deutsch-koreanischen Freundschaft basteln: fest terminiert für Oktober 2018 ist in Hamburg ein zweites Turnier mit tricky Turtle Ships.

Bericht: Shôgi auf dem Hamburger Japan-Festival 2018

Bei bestem Wetter fanden sich am Samstag zahlreiche Besucher beim Hamburger Japan-Festival 2018 im japanischen Garten von Planten un Blomen ein. Nachdem wir im letzten Jahr einmal ausgesetzt hatten, strömten diesmal, dem Wetter sei’s gedankt, viele interessierte Besucher zum Shôgi-Workshop. René Gralla erzählte gerne über die kulturellen Hintergründe der japanischen Variante des königlichen Spiels, während Jürgen Woscidlo, Masaomi Ishii, Rolf Müller, Nils Meinköhn und Fabian Krahe die Bretter zum Glühen brachten, als sie vielen Neulingen das Japanschach regeltechnisch näher brachten. Untermalt wurde das ganze von japanischer Musik, den Kampfschreien der Budo-Vorführungen und dem leckeren Duft japanischen Essens.
Unser Dank geht an die Organisatoren und allen, die dabei geholfen haben diesen vergnüglichen Nachmittag zu gestalten!

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Japanfestival am 26. Mai 2018 in Hamburg: Programm ist da!

26. Mai 2018 ab 12:00 UhrJapanfestival 2018 Flyer Seite 1

 Programm

  • 12:00-12:20 Uhr: Eröffnung – Taiko Trommeln (Wiese)
  • 12:20-12:30 Uhr: Offizielle Begrüßung (Steg)
  • 12:30-12:45 Uhr: musikalischer Beitrag mit der Shakuhachi (Steg)
  • 12:45-13:30 Uhr: geschlossene Tee-Zeremonie (Teehaus)
  • 13:30-14:30 Uhr: Musik aus Okinawa mit Gitarren- & Sanshin-Begleitung (Steg)
  • 14:30-14:45 Uhr: Musikalischer Beitrag mit der Shakuhachi (Steg)
  • 14:45-15:45 Uhr: Öffentliche Tee-Zeremonie (Teehaus)
  • 14:55-15:35 Uhr: 2x japanische Kampfsport-Demonstrationen: Sojutsu & Kendo (Wiese)
  • 15:45-16:20 Uhr: Traditionell japanischer Tanz (Steg)
  • 16:20-17:10 Uhr: 2x japanische Kampfsport-Demonstrationen: Kyudo & Aikido (Steg)

Gänztägiges Programm

Um den Teich:

  • Accessories & Süßes
  • Infos zu Japan
  • Landestypische Köstlichkeiten – süß & herzhaft
  • Infos zu Bonsai-Bäumen
  • Kalligraphie- und Oshibana – Workshops
  • 19. Japan Filmfest Hamburg
  • Shôgi – Workshop

Japanfestival 2018 Flyer Seite 2Runde Wiesenfläch:

  • Workshops & Grüner Tee:
  • Origami
  • Basteln japanischer Puppen
  • Yukata – Anprobe ©Ichiro Mizutani
  • Furoshiki
  • Postkarten und Lesezeichen mit Japan-Motiven
  • Japanisches Spielzeug

Änderungen vorbehalten

 

 

Der Flyer zum Japan Festival 2018 in Hamburg als PDF

Das Programm zum Japan Festival 2018 in Hamburg als PDF

Drama in Thailand vor 250 Jahren – wird an der Uni Hamburg diskutiert … und Thaischach ist auch dabei! Mit dem One-Day-Gedenkturnier „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“

Von René Gralla

Kleine Kegel stehen Spalier, wie aus dem Experimentierkasten eines Pagodenbaumeisters. Dazwischen die Köpfe stolzer Pferde, die sich gerade zu sammeln scheinen für einen flotten Aufgalopp. Hinweg über Reihen runder Stolpersteine, die offenbar die Grenzen zweier Territorien markieren.

Startaufstellung im Thaischach - die verblüffende Assoziationen weckt: Haben unbekannte Einflüsterer aus Japans Shogi-Szene einst gute Tipps gegeben?! Foto: Christoph Harder
Startaufstellung im Thaischach – die verblüffende Assoziationen weckt: Haben unbekannte Einflüsterer aus Japans Shogi-Szene einst gute Tipps gegeben?! Foto: Christoph Harder

Gleich wird Bewegung kommen in dieses dreidimensionale Stillleben, das die Gedanken zu verträumten Tempeln fliegen lässt, an den Ufern von Mekong und Chao Phraya. Während aus anderen Sphären sanfte Melodien rüberwehen, die allein der Betrachter hören kann. Sehnsuchtsvoll und hitzeschwer, und der Wunsch wird schier übermächtig, dass dieser süße Schmerz nie vergehen möge.
Und dabei wird hier doch eigentlich nur Schach verhandelt. Allerdings ist an diesem frühwinterlichen Sonnabend in der Universität Hamburg eben gerade nicht die handelsübliche Standardversion das Thema: Am 9. Dezember 2017 im Afrika-Asien-Institut versammeln sich Enthusiasten und spontan Motivierte, die gemeinsam eine spezielle Version der Mattkunst zelebrieren wollen – nämlich das hierzulande beinahe unbekannte, in seiner Heimat jedoch äußerst beliebte „Makruk“, aus dem viel zitierten Land des Lächelns. Und das hat auch ein bisschen mit Shogi (!!) zu tun … aber dazu später mehr.

Foto: Christoph Harder
Foto: Christoph Harder

Passender Anlass ist der Thai-Tag 2017, der Wissenschaftler, Studenten und Menschen, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen für Politik, Wirtschaft und Kultur im südostasiatischen Raum interessieren, in der Vorweihnachtszeit zum Zentralkomplex der hansestädtischen Alma Mater führen wird, wenige Schritte entfernt vom Bahnhof Dammtor an der Edmund-Siemers-Allee.

Nach der Katastrophe nie mehr aufgebaut: Wat Chai Watthanaram in den Ruinen von Ayutthaya
Nach der Katastrophe nie mehr aufgebaut: Wat Chai Watthanaram in den Ruinen von Ayutthaya

Schließlich ist die Veranstaltung einem turbulenten Zeitabschnitt gewidmet, der vor 250 Jahren eine dramatische Zäsur in der Geschichte des Königreiches markiert hat: die Zerstörung der einst prachtvollen Hauptstadt Ayutthaya nach der Besetzung durch die Burmesen am 7. April 1767 – ein Desaster, das im kollektiven Gedächtnis der stolzen Nation bis heute nachhallt – ; und der überraschende Gegenschlag wenige Monate später, als eine neu formierte thailändische Armee am 6. November 1767 bei Thonburi triumphierte und die Wende im Dauerkonflikt mit dem benachbarten Myanmar einleitete.

Ort der Wiedergeburt von Siam: Thonburi, das in der Gegenwart zu Bangkok gehört.
Ort der Wiedergeburt von Siam: Thonburi, das in der Gegenwart zu Bangkok gehört.

Held von Thonburi war der damalige General und spätere König Taksin. Und weil der geniale Feldherr – dessen Name allein per Zufall ähnlich klingt wie der Exilpolitiker Thaksin Shinawatra in der Gegenwart – neben überragenden militärischen Fähigkeiten obendrein auch am Brett der traditionell siamesischen Schachvariante Makruk seine Herausforderer cool abstrafte, soll nun während des Hamburger Thai-Tages 2017 folgerichtig ein entsprechendes Turnier an die epochalen Ereignisse vor einem Vierteljahrtausend erinnern. Unter einem Leitmotiv, das dem Anlass gerecht wird: „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“.

Hamburger Wettkampf im Thaischach zu Ehren des Retters von Siam: Taksin der Große (1734-1782).
Hamburger Wettkampf im Thaischach zu Ehren des Retters von Siam: Taksin der Große (1734-1782).

Abgesehen vom biographischen Bezug zum Mann, der Siam wieder aus dem Tal der Tränen führte, gibt es überdies auch einen ohne Übertreibung genuin militärtheoretischen Grund, jetzt ausgerechnet mit einem Wettkampf im Makruk an den erfolgreichen Sturm der Taksin-loyalen Verbände auf das von Burma-Kollaborateuren besetzte Fort Thonburi zu erinnern. Dem brillanten Taktiker Taksin gelang der legendäre Coup primär deswegen, weil er die 5000 Soldaten seiner Armee mit schlanken Flussschiffen den Chao Phraya hochfahren ließ – und im Szenario des Makruk, das der gewiefte Troupier als eine Art Trockenübung schätzte, sind explizit und passend „Boote“ die kampfstärksten Einheiten (deren Part übernehmen im internationalen Schach die vergleichsweise fantasy-like konzipierten „Türme“).


>> Thaischach ist eine amphibische Battle – wie die Makruk-Aktivisten Jürgen Woscidlo und René Gralla an einem Mega-Set (aus der Heimwerkstatt Gralla) vorführen, während eines Testmatches, das am 16. April 2017 in Sinstorf ausgefochten wurde.

Vor diesem Hintergrund bietet das „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ die unverhoffte Gelegenheit, Taksins Vorstoß Richtung Thonburi quasi als Versuchsanordnung im verkleinerten Maßstab nachzustellen.

Per Schiff zum Sieg gleiten - im Szenario des Makruk, das beeinflusst ist von der Topographie Südostasiens, wo Wasserwege oft die besten Verkehrsverbindungen sind (ein armiertes und bemanntes rotes Boot ankert oben rechts im Theatre of Operations ). Foto: Christoph Harder
Per Schiff zum Sieg gleiten – im Szenario des Makruk, das beeinflusst ist von der Topographie Südostasiens, wo Wasserwege oft die besten Verkehrsverbindungen sind (ein armiertes und bemanntes rotes Boot ankert oben rechts im Theatre of Operations ). Foto: Christoph Harder

Das Turnier verwandelt sich gewissermaßen in eine Geschichtswerkstatt; ein pädagogischer Aspekt, der augenfällig wird vor einem Set, das der Verfasser dieser Zeilen (der Autor René Gralla) gefertigt hat und im Spielsaal installieren wird. Semi-realistische Optik (unter Verwendung von Playmobil-und Legofiguren) ersetzt das abstrakte Design des Originals.

Was eine Partie Makruk wirklich darstellt: Hauen und Stechen in überschwemmten Reisfeldern; im Bild ein entsprechendes Reenactment im Bonsai-Format mit dem von "Ayutthaya-Thonburi-Memorial"-Planer René Gralla produzierten Showroom-Set. Foto: Christoph Harder
Was eine Partie Makruk wirklich darstellt: Hauen und Stechen in überschwemmten Reisfeldern; im Bild ein entsprechendes Reenactment im Bonsai-Format mit dem von „Ayutthaya-Thonburi-Memorial“-Planer René Gralla produzierten Showroom-Set. Foto: Christoph Harder

Eine blau eingefärbte Fläche symbolisiert Überschwemmungsgebiete – wie sonst könnten maritime Einheiten zum Makruk-Arsenal gehören?! – , und über mehrere Planquadrate zieht sich der schicksalhafte Schriftzug „Thonburi“, in thailändischen Lettern.

Schach aus dem alten Siam im Playmobil- und Lego-Look an der Universität Hamburg: eine  interaktive Geschichtswerkstatt, um den in Thailand unvergessenen Tag von Thonburi (6. November 1767) nachzuspielen, siehe der weiße Schriftzug in der Mitte des Spielplans. René Gralla (li.) stellt sich dem Makruk-Talent Paul Geißler (2. v. re.), während die Jungstars Ghreesham Manjunath (2. v. li.) und Konrad-Leo Adler (re.) wertvolle Tipps geben. Foto: Christoph Harder
Schach aus dem alten Siam im Playmobil- und Lego-Look an der Universität Hamburg: eine interaktive Geschichtswerkstatt, um den in Thailand unvergessenen Tag von Thonburi (6. November 1767) nachzuspielen, siehe der weiße Schriftzug in der Mitte des Spielplans. René Gralla (li.) stellt sich dem Makruk-Talent Paul Geißler (2. v. re.), während die Jungstars Ghreesham Manjunath (2. v. li.) und Konrad-Leo Adler (re.) wertvolle Tipps geben. Foto: Christoph Harder

Makruk-Partien simulieren im Ergebnis amphibische Operationen, im Fahrwasser des Siegers von Thonburi. Aber damit nicht genug: Das Siamschach-Event im Rahmen des Thai-Tages 2017 weist last not least eine spannende spielhistorische Komponente auf. Denn der sperrige Denksport in seiner aktuellen Form, wie sie zu Beginn des dritten Millenniums sogar Chefredakteure von Lifestyle-Magazinen neugierig macht – ein Verdienst des trendbewussten norwegischen Weltmeisters Magnus Carlsen, der im Nebenjob als Posterboy für G-Star-Jeans posiert – , ist in Wahrheit bloß die radikal veränderte Fassung jenes Originals, das vor gut 1500 Jahren in Indien erfunden wurde. Die Regeln des ehrwürdigen „Chaturanga“ vom Subkontinent kamen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kompromisslos auf den Prüfstand; eine Initiative spanischer und italienischer Revoluzzer, die freilich im fernen Siam ohne Resonanz blieb.
Im Makruk fehlen zwei Figuren, die Amateure am modernen Normaloschach oft abturnt: die gnadenlose Killer-Queen und die schnellen Läufer. Stattdessen begleiten den Siamkönig ein bescheidener Adjutant und zwei wuchtige, wenngleich langsame Elefanten; eine respektvolle Verbeugung vor den Vätern des indischen Prototyps Chaturanga.
Aber worin besteht eigentlich die eingangs erwähnte Shogi-Connection? Der Elefant aus dem Makruk verfügt über denselben Aktionsradius wie der Silbergeneral im Shogi, und die jeweils um eine Reihe vorgeschobenen Ausgangsstellungen der Makruk-Soldaten decken sich mit den ähnlich exponierten Startpositionen der Shogi-Infanterie.
Vielleicht haben sich ja die Communities der Gamer in beiden Ländern vor etlichen Generationen lebhaft miteinander ausgetauscht?! Zumal Anfang des 17. Jahrhunderts ein japanischer Bezirk in Siams Kapitale Ayutthaya prosperierte. Die Zone gewann eine Autonomiestatus unter dem Abenteurer Yamada Nagamasa (1590-1630), den es in den Süden verschlagen hatte aus der Hafenstadt Numazu, in der Präfektur Shizuoka auf Nippons Hauptinsel Honshu. Ein Expatriate, der zur Legende wurde als „Samurai von Ayutthaya“, indem er für Siams König Songtham (1590-1628) ein Freiwilligenkorps rekrutierte, das mutig an der Seite thailändischer Verbände focht.

Das „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ öffnet demnach das Stargate zu einem mentalen Trip, der die Gesetze von Zeit und Raum überwindet: Das Open, bei dem auch Neueinsteiger willkommen sind, vermittelt echtes Schach-Feeling pur aus einer Vergangenheit, die sich als verblüffend präsent erweist.

Cool Cat versus Kid: Sumet "Thon" Kraiphlaeng (li.) vor einem knallharten Duell contra Konrad-Leo Adler (re.). In einer vorentscheidenden Runde des "PTT King Naresuan The Great Tournament" 2015, dem Vorläuferturnier zum diesjährigen "Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial" im Afrika-Asien-Institut der Universität Hamburg. Foto: Christoph Harder
Cool Cat versus Kid: Sumet „Thon“ Kraiphlaeng (li.) vor einem knallharten Duell contra Konrad-Leo Adler (re.). In einer vorentscheidenden Runde des „PTT King Naresuan The Great Tournament“ 2015, dem Vorläuferturnier zum diesjährigen „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ im Afrika-Asien-Institut der Universität Hamburg. Foto: Christoph Harder

Gaming back to the roots – eine intellektuelle Wellnesskur ohne nervige Nebenwirkungen: Selbst Anfänger halten routinierten Gegnern lange genug stand, um Niederlagen nicht als demütigend zu empfinden. Im Einklang mit der thailändischen Mentalität, die peinlichen Gesichtsverlust tunlichst zu vermeiden sucht. Langeweile ist trotzdem ausgeschlossen: Den Rundentakt diktiert ein Blitz-Modus (zehn Minuten pro Partie und Kandidat/-in), in Anlehnung an das hohe Tempo, das Siams Retter Taksin seinen Leuten abverlangte.
Mit dem „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ zum Auftakt des zweiten Adventswochenendes 2017 organisieren der Sinstorfer Schachlehrer Jürgen Woscidlo und der Hamburger Journalist René Gralla den dritten Leistungsvergleich in Siams populärem Mind Sport. Die Mini-Turnierserie feierte Premiere im Mai 2012 an der Universität Hamburg. Die Fortsetzung folgte am 13. Juni 2015 als „PTT King Naresuan The Great Makruk Tournament“, das an den 460. Geburtstag des Kriegerkönigs Somdet Phra Naresuan Maharat (1555-1605) erinnerte. Der Herrscher – dessen Agenda gewisse Ähnlichkeiten aufwies zur Lebensleistung von Amtsnachfolger Taksin rund zwei Jahrhunderte später – wehrte burmesische Expansionsversuche ab und schätzte privat ebenfalls das Makruk als strategische Übung.

Erdöl liefert Energie für Makruk: Thailands Staatskonzern PTT steuerte Hauptpreis und Spielsets bei für das "PTT King Naresuan The Great Tournament" 2015 an der Universität Hamburg (zur Freude des Orga-Duos Jürgen Woscidlo, li., und René Gralla, re., die mit dem avisierten "Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial" im ausklingenden Jahr 2017 schon ihr drittes Thaischach-Event auf die Beine stellen). Foto: Christoph Harder
Erdöl liefert Energie für Makruk: Thailands Staatskonzern PTT steuerte Hauptpreis und Spielsets bei für das „PTT King Naresuan The Great Tournament“ 2015 an der Universität Hamburg (zur Freude des Orga-Duos Jürgen Woscidlo, li., und René Gralla, re., die mit dem avisierten „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ im ausklingenden Jahr 2017 schon ihr drittes Thaischach-Event auf die Beine stellen). Foto: Christoph Harder

Wichtiger Supporter des 2015’er Makruk-Memorials war Thailands staatlicher Erdölkonzern PTT, der in seinem Stammland häufig Meisterschaften ausrichtet. Die Marketingabteilung stiftete den Hauptpreis, ein Deko-Set aus Kristall (räumte der 53-jährige Weeraphon Junrasatpanich ab), plus diverse Spielsätze.

Wird Weeraphon Junrasatpanich (vorne re.) auch beim "Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial" ins Rennen gehen? Dann dürfte der "Präsident", das ist sein stilgerechter Kampfname, in den heiligen Hallen der hansestädtischen Hochschule ähnlich souverän die Konkurrenz auf Distanz halten wie 2015 am selben Ort beim "PTT King Naresuan The Great Tournament" (hier im präsidialen Thaischach-Dialog mit Sumet "Thon" Kraiphlaeng, li.). Foto: Christoph Harder
Wird Weeraphon Junrasatpanich (vorne re.) auch beim „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ ins Rennen gehen? Dann dürfte der „Präsident“, das ist sein stilgerechter Kampfname, in den heiligen Hallen der hansestädtischen Hochschule ähnlich souverän die Konkurrenz auf Distanz halten wie 2015 am selben Ort beim „PTT King Naresuan The Great Tournament“ (hier im präsidialen Thaischach-Dialog mit Sumet „Thon“ Kraiphlaeng, li.). Foto: Christoph Harder

Die Co-Sponsorin Naresuan University schickte aus dem thailändischen Phitsanulok eine Statuette ihres royalen Patrons und vereinbarte zugleich – nach hartnäckiger Lobbyarbeit durch Makruk-Aficionado René Gralla – eine Kooperation mit Hamburgs Afrika-Asien-Institut. Ehrgeizige Projekte sind inzwischen auf den Weg gebracht: eine Studie, die nach den Wurzeln des Makruk schürft und die Verankerung des Spiels im Kontext der thailändischen Gesellschaft analysiert; und begleitend eine ambitionierte praktische Aktion, die Makruk in entlegene Dörfer bringen soll. Die Planer möchten die Generationen im Spiel vereinen: Kinder aus benachteiligten Familien gewinnen mathematisches Verständnis, ohne auf teure Unterrichtsmaterialien angewiesen zu sein; und Senioren, die per Makruk mit den Kids kommunizieren, bleiben geistig fit und beugen Demenzerkrankungen vor.

Chess Siam-style verbindet die Generationen: Paul Geißler (re.) misst sich 2015 im "PTT King Naresuan The Great Tournament" mit Surasak "Pi Woey" Pradaenschat (li.), und ähnliche Zusammentreffen wird es natürlich auch 2017 beim "Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial" geben. Foto: Christoph Harder
Chess Siam-style verbindet die Generationen: Paul Geißler (re.) misst sich 2015 im „PTT King Naresuan The Great Tournament“ mit Surasak „Pi Woey“ Pradaenschat (li.), und ähnliche Zusammentreffen wird es natürlich auch 2017 beim „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“ geben. Foto: Christoph Harder

Generationendialog und unterhaltsame Entwicklungshilfe: Makruk macht’s möglich. „Wir haben eine lange und herausfordernde Reise begonnen“, schreibt Professor Dr. Volker Grabowsky, Dekan des Hamburger Fachbereichs Thaiistik und Hausherr des Thailand-Tages 2017, in einem Grußwort zum „Ayutthaya-Thonburi-1767-Makruk-Memorial“.
Spielen und Dinge bewegen, kann es eine glücklichere Kombination geben?!
Die ersten Schritte sind leicht getan: persönlich einchecken zum Thaischach-Turnier am 9. Dezember 2017 bis spätestens 13:00 Uhr in Hamburgs Afrika-Asien-Institut, Edmund-Siemers-Allee 1, Ostflügel, Raum 121.
Makruk?! Makruk! Mehr geht nicht!

Daumen hoch für das dritte Thaischach-Turnier in Hamburg: Co-Organisator René Gralla (Foto: Quang Nguyen-Chi).
Daumen hoch für das dritte Thaischach-Turnier in Hamburg: Co-Organisator René Gralla (Foto: Quang Nguyen-Chi).r

Hamburg Thai Tag 2017 Flyer.pdf

Time Schedule-Symposium-Ayutthaya_final.pdf