Bloß der Himbeerkuchen hat diesen Tag nicht überlebt … Zweites Internationales Janggi-Open am 13. Oktober 2018 in Hamburg

Von Jürgen Woscidlo

Nun bereits zum zweiten Mal rief Hamburg an einem Oktobersonnabend zum Internationalen Janggi-Open in den Norden der Republik. Gespielt wurde im Johannes-Brahms-Konservatorium, das sich im noblen Elbvorort Othmarschen nach der Turnierpremiere 2017 und verschiedenen Workshops als neues Zentrum für die Kultur des Koreanischen Schachs in der Hansestadt etabliert hat.
Zugleich war der frühherbstliche Wettkampf in Wahrheit bereits das dritte Janggi-Event in der Elbmetropole, und zwar nach einem Jugendturnier im Sommer 2015; als Ausrichterin fungierte seinerzeit die Integrative Grundschule Grumbrechtstraße in Hamburg-Heimfeld. Folgerichtig bildeten dann auch vier geniale Kids aus dem Kader der Grumbrechtstraße am 13. Oktober 2018 den stärksten Block unter den Kandidaten des diesjährigen Janggi-Open im Johannes-Brahms-Konservatorium. Wobei mit Ian Meinköhn ein echter Rising Star ins Rennen ging, aber auch dessen Brothers in Arms – das waren Kerem Kuruca, Sven Meinköhn und Niels Meinköhn – durften tunlichst nicht unterschätzt werden.

Gleich wird an der Pforte des gegnerischen Palasts gerüttelt: Shin-Gyu Kang, Präsident der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft Hamburg (rechts am Brett), und Turnierdirektor Jürgen Woscidlo (li.) eröffnen mit dem symbolischen ersten Zug das 2. Internationale Janggi-Open am 13. Oktober 2018 in der Hansestadt. Und auch Deutschlands Janggi-Spitzenspieler Uwe Frischmuth (vorne links) hat sich voller Tatendrang für einen spannenden Wettkampf in Position gebracht … während vordergründig bescheiden in der letzten Reihe schon der spätere Turniersieger Krzysztof Stoigniew Sieja wartet … (ganz hinten rechts).
Gleich wird an der Pforte des gegnerischen Palasts gerüttelt: Shin-Gyu Kang, Präsident der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft Hamburg (rechts am Brett), und Turnierdirektor Jürgen Woscidlo (li.) eröffnen mit dem symbolischen ersten Zug das 2. Internationale Janggi-Open am 13. Oktober 2018 in der Hansestadt. Und auch Deutschlands Janggi-Spitzenspieler Uwe Frischmuth (vorne links) hat sich voller Tatendrang für einen spannenden Wettkampf in Position gebracht … während vordergründig bescheiden in der letzten Reihe schon der spätere Turniersieger Krzysztof Stoigniew Sieja wartet … (ganz hinten rechts).

In seiner Begrüßungsrede zeichnete Turnierdirektor Jürgen Woscidlo die rasante Entwicklung nach, die der Janggi-Sport in Hamburg seit 2014 genommen hat, und er versprach, den eingeschlagenen Weg unbeirrt zu verfolgen. Anlässlich des 70. Geburtstages der Republik Korea drückte Woscidlo, der zugleich die Janggi-Online-Plattform Deutschland vertritt, gegenüber allen Koreanern, die der Eröffnungsfeier beiwohnten, die starke Hoffnung aus, dass ungeachtet der volatilen Lage in Fernost dort der Frieden bewahrt werden und sich der Wohlstand der Menschen weiter mehren möge.
Die Auftaktveranstaltung wurde musikalisch abgerundet durch eine Sonate des Komponisten Sergei Prokofjew (1891-1953). Prokofjew, ein Zeitgenosse von Dmitri Schostakowitsch (1906-1975), repräsentiert den ungestümen Musikstil der jungen Sowjetunion, entsprechend leidenschaftlich auch der Vortrag auf der Bühne an diesem Vormittag. Als zweites Stück kam Koreas inoffizielle Hymne „Arirang“ zu Gehör; in instrumentaler Interpretation an Cembalo und Klavier durch Künstlerinnen und Künstler, die mehrfach schon bei „Jugend musiziert“ ausgezeichnet worden sind.
Den Startschuss für das eigentliche Turnier gab der Präsident der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft Hamburg (DKGH) persönlich: Herr Shin-Gyu Kang führte am Spitzenbrett symbolisch den ersten Zug aus. Während sich die unmittelbar anschließenden Rundenkämpfe, die im Round Robin-Modus (jeder gegen jeden) ausgefochten wurden, treffend unter der Überschrift „Klein schlägt Groß“ zusammenfassen ließen.
Ian Meinköhn watschte sowohl Uwe Frischmuth als auch Hamburgs-Janggi-Godfather Jürgen Woscidlo (!) schmerzhaft ab; Ian Meinköhn setzte sich auf diese Weise nicht allein als bester Schüler durch, sondern eroberte obendrein einen tollen dritten Platz im Gesamtklassement. Herzlicher Glückwunsch!

Niels Meinköhn (li.) gegen Kerem Kuruca (re.)
Niels Meinköhn (li.) gegen Kerem Kuruca (re.)

Kerem Kuruca bestritt äußerst erfolgreich sein erstes Janggi-Turnier: Er belegte in der Sonderwertung für Schüler den dritten Rang und durfte seinen ersten Pokal mit nach Hause nehmen. Zugleich schrieb Kerem Kuruca ein Stück Janggi-Geschichte: In einem Wettkampf nach den Regeln des Koreanischen Schachs ist er der vermutlich erste Denksportler mit türkischem Pass gewesen.
Niels Meinköhn demonstrierte solide Leistungen am Brett und erreichte Platz 5 in der Schlussabrechnung. Auch dieses Mitglied aus der hungrigen Truppe der Jungen Wilden zeigte keinen Respekt vor vermeintlich verdienten Namen und trickste gleich in der ersten Runde seinen vormaligen Lehrmeister Jürgen Woscidlo aus.
Keine Schonung gewährten sich die beiden Lokalmatadoren Uwe Frischmuth und Jürgen Woscidlo, sobald das einander in herzlicher Rivalität verbundene Duo vom Elbstrand in den Ring gestiegen war. Ungeniert klaubte Frischmuth rasch einen Vorteil an wichtigem Material zusammen, und der so genannte „Palast“, ergo der Schlüssel- und Angelpunkt von Woscidlos Stellung, drohte sang- und klanglos zu implodieren. Immerhin gelang dem belagerten Woscidlo ein tollkühner Befreiungsschlag per Elefant, der eine der Kanonen im Belagerungsring ausschaltete; ein Schock für den Angreifer, der plötzlich in die Defensive geriet und eilig eine notdürftige Verteidigung zimmern musste. Freilich währte Woscidlos Freude nicht lange: trotz tapferen Widerstands blieb schließlich die Kapitulation unausweichlich.

Hamburgs-Janggi-Godfather Jürgen Woscidlo (li.) gegen Turniersieger Krzysztof Sieja (re.)
Hamburgs-Janggi-Godfather Jürgen Woscidlo (li.) gegen Turniersieger Krzysztof Sieja (re.)

Ratingfavorit Krzysztof Stoigniew Sieja, der in seiner polnischen Heimat die Janggi-Szene dominiert, und Uwe Frischmuth lieferten sich zwei dramatische Duelle. In der regulären Partie behielt zunächst noch der Hamburger die Nase vorn. Als jedoch nach Abschluss der siebten Runde ein Trio – bestehend aus Krzysztof Sieja, Uwe Frischmuth und Supertalent Ian Meinköhn (!) – , an der Spitze lag, folgte unausweichliche das Tie-Break, in dem wiederum Krzysztof Sieja seine Klasse bewies und vor Uwe Frischmuth und Ian Meinköhn die Ziellinie überquerte.
Uneingeschränkter Dank für den inspirierenden Rahmen dieses Turniers gebührt dem Leiter des Johannes-Brahms-Konservatorium. Juan Carlos Reitze de la Maza, der Chef des Hauses, stellte nicht allein die schönen Räumlichkeiten bereit, sondern organisierte wie im Vorjahr das begeisternde musikalische Rahmenprogramm.
Ein herzlicher Dank an Supporterin Frau Nahe sowie an Fuat Woscidlo für die tatkräftige Hilfe beim Aufbau. Dank auch an die Familien Meinköhn und Kuruca, die das Turnier mit süßen Leckereien und Getränken unterstützten. Last not least: GAMSAHAMNIDA respektive TESEKÜR EDERIM (DANKE auf koreanisch beziehungsweise türkisch) an Eylem Woscidlo für den köstlichen Himbeerkuchen! Der hat das Turnier nicht überlebt …

Die furchtlosen Drei vs. Seoul … Some Special Gimmicks Including

Von René Gralla

Während Liebhaber des Internationalen Schachs momentan nur London im Fokus haben, wo Norwegens Champion Magnus Carlsen seine Krone im Königsspiel gegen den US-amerikanischen Herausforderer Fabiano Caruana verteidigen muss, blicken die Fans asiatischer Mattkunst gespannt Richtung Fernost. In Seoul läuft nämlich vom 16. bis 20. November 2018 die zweite Amateur-WM im Janggi. Und auch drei ehrgeizige Hamburger sind erneut am Start: Wie im Vorjahr wollen Jürgen Woscidlo, Uwe Frischmuth und Martin Wolff die Hauptstadt Südkoreas rocken.

Die Furchtlosen Drei von der Elbe in Seoul, wie sie ein lokaler Künstler sieht: Jürgen Woscidlo, Uwe Frischmuth, Martin Wolff (von links)
Die Furchtlosen Drei von der Elbe in Seoul, wie sie ein lokaler Künstler sieht: Jürgen Woscidlo, Uwe Frischmuth, Martin Wolff (von links)

Die Furchtlosen Drei haben intensiv trainiert und sind perfekt eingestellt. Bei einem Workshop, zu dem Jürgen Woscidlo in sein Haus nach Hamburg-Sinstorf am zweiten Oktobersonntag eingeladen hatte, wurden letzte gemeine Tricks eingeübt. Zwischendurch tauchte René Gralla als Überraschungsgast auf: Der Autor, Rechtsanwalt und Experte für Schachkultur überreichte kunsthandwerkliche Stücke aus zum Teil eigener Produktion, um den Korean Chess Musketeers seinen persönlichen Respekt für herausragende Leistungen auf dem kurz zuvor ausgetragenen zweiten Hamburger Janggi-Turnier auszudrücken. Und weil er auf diese Weise zugleich Glück wünschen wollte für den WM-Trip der Hamburger Titelanwärter.

Uwe Frischmuth, der haarscharf den Sieg verpasst hatte im Endspurt des 2. Internationalen Janggi-Opens am 13.10.2018 im Johannes-Brahms-Konservatorium in Hamburgs noblem Elbvorort Othmarschen, durfte ein hübsches, aber noch nicht wirklich passgenaues Festtagswams Asian Style entgegennehmen. Das möge „FrIshiDAN“, so der Kampfname des Geehrten, erst recht anspornen: „Jetzt haust du die Konkurrenz in Seoul herzlos aus den Latschen und ziehst denen die Jacken aus!“ prophezeite René Gralla.

Krasse kurze Weste für kurzen coolen Prozess bei der Amateur-WM 2018 in Seoul: Das wünschte René Gralla (li.) dem Vizesieger des 2. Hamburger Janggi-Opens 2018 , Uwe "FrIshiDAN" Frischmuth (re.). Foto: Eylem Woscidlo
Krasse kurze Weste für kurzen coolen Prozess bei der Amateur-WM 2018 in Seoul: Das wünschte René Gralla (li.) dem Vizesieger des 2. Hamburger Janggi-Opens 2018 , Uwe „FrIshiDAN“ Frischmuth (re.). Foto: Eylem Woscidlo

Eine nostalgische Bonsai-Plastik ging an Jürgen Woscidlo, der in der Schlussabrechnung des 2. Hamburger Janggi-Turniers 2018 einen soliden fünften Rang markieren konnte. In fernen Teenagertagen, als René Gralla zwar schon eifrig die Figuren schob, aber von einem koreanischen Sonderweg im Brettsport nichts ahnte, formte er aus Modelliermasse eine Schildkröte. Nachdem der (zur – wohlwollend formuliert – krass naiven „Schule“ gehörende) Kunstaspirant jene expressionistisch-wild kolorierte Turtle per Zufall auf einem Bücherbord im Elmshorner Haus seiner 2017 verstorbenen Mutter Ingrid Gralla entdeckt hatte, stand es für ihn fest: Das Tierchen ist der passende Sonderpreis für einen Janggi-Wettbewerb.

Schließlich wird besagtes strategisches Spiel von einer nachgerade futuristischen Waffengattung geprägt: Das sind die höchst mobilen Kanonen, die wie fliegende Turtle-(!)-Ships die gegnerischen Einheiten aufmischen. Auf dem Brett der 90 Schicksalspunkte eine unverkennbare Reverenz an Koreas legendären Admiral Yi Sun-sin (1545-1598), der Ende des 16. Jahrhunderts mit damals technologisch überlegenen Turtle Ships eine eigentlich erdrückend überlegene japanische Invasionsflotte vernichtete.

„Die freche bunte Turtle soll dich während der WM-Partien begleiten, lieber Jürgen“, sagte René Gralla. „Im Geist des unvergessenen Yi Sun-sin, an dessen 420. Todestag wir uns demnächst erinnern, und zwar am 16. Dezember 2018.“

Bunte Turtle als Talisman, zwecks beherztem Bashing der WM-Konkurrenz: Janggi-Turtle-Schöpfer René Gralla (l.) und designierter Turtle-Titan Jürgen Woscidlo (re.). Foto: Eylem Woscidlo.
Bunte Turtle als Talisman, zwecks beherztem Bashing der WM-Konkurrenz: Janggi-Turtle-Schöpfer René Gralla (l.) und designierter Turtle-Titan Jürgen Woscidlo (re.). Foto: Eylem Woscidlo.

Aus Termingründen konnte Ian Meinköhn an der nachträglichen Feierstunde in Sinstorf nicht teilnehmen. Obwohl der U12-Denksportler unbedingt dorthin gehört hätte: Norddeutschlands erst zehnjähriger Nachwuchsstar heizte beim 2. Hamburger Janggi-Open den Mitbewerbern respektlos ein und überquerte als Dritter die Ziellinie. Begeistert über diese tolle Performance ließ ihm René Gralla den Special „Keeper-of-The-Palace-Award-2018“ per Boten zustellen: eine Bleistiftzeichnung, mit der Autodidakt Gralla in den Roaring Seventies seine bereits damals virulente Schachbegeisterung in ein surreales Sujet transformiert hatte.

Bleistiftzeichnung aus dem Jugendatelier René Gralla als höchst persönlicher Gruß an Norddeutschlands Riesentalent Ian Meinköhn; der zehnjährige Schüler punktete sensationell beim 2. Hamburger Janggi-Open und eroberte den dritten Platz. Foto: Pilar Meinköhn
Bleistiftzeichnung aus dem Jugendatelier René Gralla als höchst persönlicher Gruß an Norddeutschlands Riesentalent Ian Meinköhn; der zehnjährige Schüler punktete sensationell beim 2. Hamburger Janggi-Open und eroberte den dritten Platz. Foto: Pilar Meinköhn

Das Bild zeigt einen stolzen Schachbauern, der machtvoll demonstriert, dass niemand voreilig unterschätzt werden darf; das Exponat hing unter dem Dach in der Mansarde von René Grallas Elternhaus an Elmshorns Lupinenweg.

Bescheidenheit sollte niemals mit Schwäche verwechselt werden: "The Haunted Board", eine frühe Bleistiftzeichnung von René Gralla als Special "Keeper-of-The-Palace-Award-2018" für Janggi-Nachwuchsstar Ian Meinköhn. Foto: Pilar Meinköhn
Bescheidenheit sollte niemals mit Schwäche verwechselt werden: „The Haunted Board“, eine frühe Bleistiftzeichnung von René Gralla als Special „Keeper-of-The-Palace-Award-2018“ für Janggi-Nachwuchsstar Ian Meinköhn. Foto: Pilar Meinköhn

Von Ian Meinköhn werden wir auf jeden Fall noch hören. Und vielleicht wird er dann ja auch die deutsche Auswahl bei der nächsten Janggi-WM 2019 in Seoul verstärken.

Epilog

Die von René Gralla handgefertigten Special Awards entstammen dem privaten Fundus im Elmshorner Haus der 2017 verstorbenen Schachkultur-Supporterin Ingrid Gralla.

Schachkultur-Supporterin Ingrid Gralla (1930-2017), hier während eines Aufenthalts auf Gran Canaria im Februar 1996. Foto: Privatarchiv
Schachkultur-Supporterin Ingrid Gralla (1930-2017), hier während eines Aufenthalts auf Gran Canaria im Februar 1996. Foto: Privatarchiv

Bericht vom European Youth Shogi Championship 2018

Am 30. Juni und 1. Juli fand in der Polytechnischen Fakultät der Universität Wroclaw die diesjährige Shogiteam Jugend Europameisterschaft statt. Parallel dazu fand ein offenes Begleitturnier für Erwachsene statt.
Das Team aus Hamburg bestand aus dem Jugendspielern Ian und Niels Meinköhn und Anton Borysov, die von „Strippicus“ Uwe Frischmuth und Jürgen Woscidlo begleitet wurden. Für das Hamburger Team war es das erste Turnier im Ausland. Allein die Anreise verlief nicht ohne Höhepunkte. Anton war bereits einen Tag vorher in Wroclaw eingetroffen.
Ian Meinköhn startete im Feld U12, Anton Borysov im Feld U15, Niels im Feld U18. Alle drei bekamen es neben deutschen Gegenspielern insbesondere mit denen aus Weißrussland zu tun. Die Partien waren durchweg kämpferisch bis zum letzten Zug. Das Ergebnis aber konnte sich am Ende sehen lassen: Anton Borysov belegte im Feld U12 den vierten, Ian Meinköhn den sechsten Platz. Damit bewiesen beide zum einem ihre Spielstärke, gaben andererseits auch einen Ausblick, welches Potential in ihnen noch schlummert.
Niels Meinköhn musste bis zum zweiten Turniertag warten, bis er zwei Siege einfahren konnte. Einen davon gegen einen „3 Kyu-Spieler“. Am Ende landete er auf Platz 14 und wurde mit einem 15. Kyu belohnt. Ein großer Erfolg. Herzlichen Glückwunsch ihnen allen.
Uwe Frischmuth und Jürgen Woscidlo hatten es auf dem Begleitturnier am ersten Tag durchweg mit den schweren Gegnern zu tun. Während Uwe Frischmuth immerhin einen Punkt holen konnte, ging Jürgen Woscidlo hier leer aus. Erst am Sonntag kam die Wende und es konnten Punkte eingefahren werden. Besonders die Partie Jürgen Woscidlo gegen Jacek Prochal wird lange in Erinnerung bleiben, denn bis zum letzten Zug stand die Partie auf des Messers Schneide, ehe Jürgen Woscidlo den Siegpunkt notieren konnte.
Herzliche Grüße an Jacek Prochal nach Krakau. Vielen Dank für diese spannende Partie. Am Ende kamen Uwe Frischmtuh auf Platz sieben, Jürgen auf Platz acht ein. Damit bewahrheitete sich Uwes Prognose, dass kein Hamburger Spieler mit null Punkten nach Hause fahren würde.
Am Samstag gab es dann ein kleines Janggiturnier. Während die Jugendlichen Fußball spielten, glühten im Turniersaal die Janggi Bretter. Die Pokale gingen nach Paris, Wroclaw und Warschau (Antonio Barry). Herzlichen Glückwunsch. Auch hier gingen die Hamburger Spieler (Uwe Frischmuth und Jürgen Woscidlo) nicht punktlos vom Platz. Jürgen Woscidlo gewann gegen Antonio Barra. Im Oktober 2017 war es noch umgekehrt.
Nach zwei Tagen ging die Shogi Jugend EM mit einer großen Siegerehrung zu Ende.
Was bleibt?
1) Der Eindruck von einem gut organisierten Turnier und freundlichen Gastgebern.
2) Die tollen Partien und guten Gesprächen zwischen den Partien und Samstagabend.
3) Die Begegnung mit Polen, die stets freundlich und hilfsbereit waren. Sie haben es wirklich schwer gemacht, sich fremd zu fühlen.
Besonderer Dank an dieser Stelle gilt Uwe Frischmuth. Mit der Planung der Reise und seinen Kenntnissen der polnischen Sprache hat er die erfolgreiche Teilnahme des Hamburger Teams erst ermöglicht. Dadurch stand ein Hamburger Team am Ende in Wroclaw.
Durch seine taktischen Tipps während des Turniers trug er viel zum positiven Abschneiden Hamburgs bei.
Hier die Links zu den Ergebnissen:
vom U12 Turnier
vom U15 Turnier
vom U18 Turnier

und vom offenen Begleitturnier

K-Pop auf dem Brett und Tauziehen mit Riesenwürsten

Von René Gralla

Vielleicht findet sich ja im virtuellen Netz der neunzig Knotenpunkte die eine und entscheidende Schnittstelle. Nordkoreas Führung wacht streng über ihren Herrschaftsbereich, kontrolliert natürlich auch den Cyberspace. Und doch öffnet sich gerade im digitalen Paralleluniversum eine versteckte Passage für überraschende Kontakte, und die hat etwas zu tun mit einem seit Jahrhunderten auf der Halbinsel gepflegten Freizeitspaß: dem Janggi.

Denn ausgerechnet jenes strategische Spiel, in dem die beiden Kontrahenten um 90 Positionen auf dem Brett ringen – mit gewissen Anklängen an das internationale Schach – , kann online gezockt werden auf einem Server, der unter dem Label Red Star OS 2.0 firmiert und hinter dem offenbar (nomen est omen!) nordkoreanische Entwickler stecken. Ein Ausflug per Internet dank Janggi zu den Genossen des Kim Jong Un? Das ist eine Perspektive, die den Hamburger Uwe Frischmuth seit Monaten umtreibt: „Unglaublich, was ein uraltes Spiel sogar im dritten Millennium noch bewegen kann!“ Und folgerichtig arbeitet der 59-jährige Sozialpädagoge hoch motiviert daran, das besagte Janggi jetzt auch nach Europa zu importieren.

Zumal Koreas Antwort auf die klassische Königsjagd westlicher Provenienz viel spannender ist als das hierzulande bekannte Gegenstück. Im Szenario des Janggi, das seinerseits verwandt ist mit Chinas Xiangqi (übersetzt: „Elefantenspiel“), kommt neben überlieferten Einheiten (Wagen, Reiter, Elefantenkorps) auch quasi futuristisches Gerät zum Einsatz. Das sind die Kanonen, die aber eher modernen Helikoptern ähneln, weil sie ihre Ziele durch den Luftraum erreichen können.

Die Koreaner waren eben schon oft ihrer Zeit weit voraus. Der legendäre Admiral Yi Sun-sin wehrte Ende des 16. Jahrhunderts vielfach überlegene japanische Invasionsflotten ab, und das Wunder möglich machten revolutionäre Turtle Ships: deren Decks waren armiert mit fiesen Eisenspitzen, und Drachenköpfe am Bug spuckten tödliches Feuer. Entsprechend lassen sich die Kanonen in der Miniaturwelt des Janggi als gewissermaßen fliegende Turtle Ships definieren.

Im Jahr 2018 wird am 16. Dezember des 420. Todestages von Admiral Yi Sun-sin (geboren 28.4.1545, gestorben 16.12.1598) gedacht: der legendäre Kommodore, einer der größten militärischen Führer in der Geschichte Koreas, trotzte 1597 in der epischen Seeschlacht von Myongnyang mit nur 13 (!!) Schlachtschiffen einer drückend überlegenen japanischen Invasionsflotte, die aus 333 (!) Einheiten bestand. Foto: Shizhao, CC BY-SA 3.0

Dass die stolze Marine des Kaiserreichs unter dem Sonnenbanner damals derart gedemütigt wurde – nicht zuletzt wegen Koreas brutal effektiver Turtle Ships – , hat offenbar tiefe Verwüstungen in Nippons kollektiver Seele angerichtet. So dass in Japan – gewissermaßen als unbewusste Weiterdrehe des Konzepts der koreanischen Turtle Ships – genau 377 Jahre nach dem Desaster von Myongnyang die Anime-Serie „Uchu Senkan Yamato“ gestartet wurde, mit einem ziemlich durchgeknallten Plot. In „Space Battleship Yamato“, so der englische Titel, soll nämlich das unvergessene Mega-Schlachtschiff Yamato (das während des Zweiten Weltkriegs zum Schrecken der US-Navy wurde, bis es am 7. April 1945 durch nordamerikanische Trägerflugzeuge versenkt wurde) die Menschheit der Zukunft vor einem Angriff aus dem All retten. Indem der Stahlkoloss wieder aufgeflitzt und umgerüstet wird – und sich anschließend dank Hypertechnik elegant in die Lüfte erhebt (!), zwecks Jagd auf die fiesen Aliens.

Die Produktion von Yomiuri TV begeisterte die Fans, gewann rasch Kultstatus in Japan, so dass die Serie anschließend zu einem Kinofilm mit realen menschlichen Darstellern verdichtet worden ist.

Die in Japan erst in den Tagen der Moderne erdachte Vision vom „Space Battleship Yamato“ ist aber eben, und da schließt sich der Kreis, im Mutterland der zu ihrer Zeit hochmodernen Turtle Ships bereits als eine Art Concept Art vorweggenommen worden, nämlich im verkleinerten Maßstab auf dem Brett des Janggi in Gestalt der geradezu futuristischen Kanonen-Einheiten, sprich: der besagten Flying Turtle Ships. Und auch in der Gegenwart gehören die Koreaner wieder zur Avantgarde, was Technologie im Allgemeinen sowie Gamedesign und Spielkultur im Speziellen angeht. Nicht von ungefähr dominieren Südkoreas E-Sportler die internationale Konkurrenz, und bei Ligakämpfen in StarCraft II oder League of Legends versammeln sich tausende von Zuschauern in Arenen vor gigantischen Screens.

Last not least begeistern sich seit der 2012 produzierten viralen Tanznummer „Gangnam Style“ immer mehr Fans rund um den Globus für junge und freche Unterhaltungsstars aus Fernost.

Der weltweit erfolgreiche südkoreanische Chartsstürmer „Gangnam Style“ … mit einem überraschenden Detail nach 52 Sekunden im Clip: Dort wird, sexy K-Pop-Girls hin oder her, von Game-Junkies heftig Janggi gezockt.

Der Norddeutsche Uwe Frischmuth liegt demnach voll im Trend, wenn er Koreas populären Denksport Janggi nun auch zwischen Hamburg, Berlin und München etablieren möchte. „Janggi ist wie K-Pop auf dem Brett“, schwärmt er und hat bereits mit dem Sinstorfer Schachlehrer Jürgen Woscidlo, der Frischmuths Leidenschaft teilt, im Oktober 2017 ein erstes Turnier in der Hansestadt organisiert.

Und einen Monat später flog das Team Frischmuth und Woscidlo – komplettiert durch den Neueinsteiger Martin Wolff – nach Seoul zu einer Janggi-WM, die dort der Fernsehsender Brain TV ausgerichtet hatte. „Das ist der Wahnsinn, bei denen schalten regelmäßig 1,5 Millionen Zuschauer ein“, berichtet der noch Wochen später sichtlich beeindruckte Frischmuth. „Das macht neidisch!“

v.l.n.r. Uwe Frischmuth, Jürgen Woscidlo, Martin Wolff und Antonio Barra, der für Italien an der WM teilnahm.

Flugtickets und Hotelkosten wurden von den Veranstaltern gesponsert: eine beachtliche Investition, bei zum Teil weit angereisten Kandidaten aus den USA, Kanada oder Polen. Warum also wollen die Südkoreaner das Janggi plötzlich weltweit promoten?

Wahrscheinlich hat das etwas zu tun mit der aktuellen politischen Großwetterlage, mutmaßt Uwe Frischmuth. Schließlich ist das Schach der schwerelosen Schildkrötenboote auch jenseits des 38. Breitengrades äußerst beliebt, und da möchte man in Seoul auch auf diesem Sektor einfach schneller und besser sein als die schwierigen Schwestern und Brüder aus Pjöngjang.

Demnach wird das kein Spaziergang, die verwegene Vision des Uwe Frischmuth, in der koreanischen Dauerkrise auf einem Schleichpfad über die 90 Wegkreuze des Janggi womöglich einen eigenen kleinen Beitrag zum Wandel durch Annäherung zu leisten. Wahrscheinlich dürften für dieses ehrgeizige Projekt deutlich härtere Bandagen notwendig sein, und als Einstimmung wäre zunächst ein Aufwärmtraining im Juldarigi zu empfehlen. Das ist die koreanische Variante des Tauziehens, aber unter verschärften Bedingungen: Die Zugwerkzeuge mutieren zu unglaublichen Riesenwürsten, die aus Reisstroh geflochten werden und einen Meter Durchmesser erreichen, bei einer Teillänge von maximal 200 Metern pro Seite. Auf diese Weise zerren zwei Mannschaften, bei denen sich neben den Kerlen auch Frauen gnadenlos ins Zeug legen, an einem massiven Pflock, der die Monsterriemen verbindet, bis die Partei West oder Ost triumphiert.

Eine schöne Parabel auf den ewigen Streit um die beiden Koreas. Und sollte nach viel Polit-Juldarigi zwischen Seoul und Pjöngjang tatsächlich ein echter Dialog beginnen – der gemeinsame Auftritt anlässlich der Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang weckt zarte Hoffnungen – , bieten sich für die designierten Unterhändler als vertiefte Vorbereitung im Freien ein paar Extrarunden Biseokchigi an. Im besagten Traditionswettkampf versuchen die Aktiven, einen Holzblock (das kann auch ein Stein sein) mit Hilfe eines anderen Teils aus demselben Material umzuhauen. Das klingt simpel, aber gemeine Auflagen machen den Kandidaten zu schaffen: Bevor die Spieler ihre Attacke starten dürfen, müssen sie einen vorher markierten Punkt auf dem Spielgelände erreichen, und zwar hüpfend und die Angriffswaffe (sprich: Holz oder Stein) wahlweise zwischen die Beine geklemmt oder auf dem Kopf balancierend.

Korea Traditional Game, Tuho. Foto: Kang Byeong Kee, CC BY 3.0.

Mit Blick auf eventuelle bilaterale Gespräche hilfreich wären sicher auch Matches im Tuho, das sonst vor allem zum Rahmenprogramm des Neujahrsfestes gehört. Die Teilnehmer werfen Pfeile und versuchen aus einer gewissen Entfernung, die Geschosse in zwei kleineren und einer größeren Öffnung eines bauchigen Holzgefäßes zu versenken.

Geschickte Treffer platzieren ungeachtet diverser Schikanen: Biseokchigi und Tuho sind die Spiele der Stunde im Korea dieser Tage. Während gut zehn Flugstunden entfernt die Janggi-Enthusiasten Jürgen Woscidlo und Uwe Frischmuth unverdrossen an ihrem eigenen Beitrag zur deutsch-koreanischen Freundschaft basteln: fest terminiert für Oktober 2018 ist in Hamburg ein zweites Turnier mit tricky Turtle Ships.

Wie ein paar Hamburger zur Janggi-WM nach Korea reisten…

René Grall veröffentlichte zur Janggi-Szene in Deutschland, zur Reise einer deutschen Delegation zur Janggi-WM und zu anderen koreanischen Spielen einen Artikel im „neuen deutschland“ (in der Wochenend-Ausgabe 3./4. Februar 2018 des „neuen deutschland“).

Diesen Artikel stellt er hier freundlicherweise als PDF zum Downlaod zur Verfügung:
Wie K-Pop auf dem Brett. Hamburger Korea-Fans lieben Janggi. Von René Gralla

Das Bild zeigt die Hamburger Janggi-Aktivisten Uwe Frischmuth (vorne links), Jürgen Woscidlo (hinten links) und Martin Wolff (rechts), die zusammen die deutsche Delegation gebildet haben, im Brain TV-Studio bei der Janggi-WM im November 2017 in Seoul.
Das Bild zeigt die Hamburger Janggi-Aktivisten Uwe Frischmuth (vorne links), Jürgen Woscidlo (hinten links) und Martin Wolff (rechts), die zusammen die deutsche Delegation gebildet haben, im Brain TV-Studio bei der Janggi-WM im November 2017 in Seoul.