K-Pop auf dem Brett und Tauziehen mit Riesenwürsten

Von René Gralla

Vielleicht findet sich ja im virtuellen Netz der neunzig Knotenpunkte die eine und entscheidende Schnittstelle. Nordkoreas Führung wacht streng über ihren Herrschaftsbereich, kontrolliert natürlich auch den Cyberspace. Und doch öffnet sich gerade im digitalen Paralleluniversum eine versteckte Passage für überraschende Kontakte, und die hat etwas zu tun mit einem seit Jahrhunderten auf der Halbinsel gepflegten Freizeitspaß: dem Janggi.

Denn ausgerechnet jenes strategische Spiel, in dem die beiden Kontrahenten um 90 Positionen auf dem Brett ringen – mit gewissen Anklängen an das internationale Schach – , kann online gezockt werden auf einem Server, der unter dem Label Red Star OS 2.0 firmiert und hinter dem offenbar (nomen est omen!) nordkoreanische Entwickler stecken. Ein Ausflug per Internet dank Janggi zu den Genossen des Kim Jong Un? Das ist eine Perspektive, die den Hamburger Uwe Frischmuth seit Monaten umtreibt: „Unglaublich, was ein uraltes Spiel sogar im dritten Millennium noch bewegen kann!“ Und folgerichtig arbeitet der 59-jährige Sozialpädagoge hoch motiviert daran, das besagte Janggi jetzt auch nach Europa zu importieren.

Zumal Koreas Antwort auf die klassische Königsjagd westlicher Provenienz viel spannender ist als das hierzulande bekannte Gegenstück. Im Szenario des Janggi, das seinerseits verwandt ist mit Chinas Xiangqi (übersetzt: „Elefantenspiel“), kommt neben überlieferten Einheiten (Wagen, Reiter, Elefantenkorps) auch quasi futuristisches Gerät zum Einsatz. Das sind die Kanonen, die aber eher modernen Helikoptern ähneln, weil sie ihre Ziele durch den Luftraum erreichen können.

Die Koreaner waren eben schon oft ihrer Zeit weit voraus. Der legendäre Admiral Yi Sun-sin wehrte Ende des 16. Jahrhunderts vielfach überlegene japanische Invasionsflotten ab, und das Wunder möglich machten revolutionäre Turtle Ships: deren Decks waren armiert mit fiesen Eisenspitzen, und Drachenköpfe am Bug spuckten tödliches Feuer. Entsprechend lassen sich die Kanonen in der Miniaturwelt des Janggi als gewissermaßen fliegende Turtle Ships definieren.

Im Jahr 2018 wird am 16. Dezember des 420. Todestages von Admiral Yi Sun-sin (geboren 28.4.1545, gestorben 16.12.1598) gedacht: der legendäre Kommodore, einer der größten militärischen Führer in der Geschichte Koreas, trotzte 1597 in der epischen Seeschlacht von Myongnyang mit nur 13 (!!) Schlachtschiffen einer drückend überlegenen japanischen Invasionsflotte, die aus 333 (!) Einheiten bestand. Foto: Shizhao, CC BY-SA 3.0

Dass die stolze Marine des Kaiserreichs unter dem Sonnenbanner damals derart gedemütigt wurde – nicht zuletzt wegen Koreas brutal effektiver Turtle Ships – , hat offenbar tiefe Verwüstungen in Nippons kollektiver Seele angerichtet. So dass in Japan – gewissermaßen als unbewusste Weiterdrehe des Konzepts der koreanischen Turtle Ships – genau 377 Jahre nach dem Desaster von Myongnyang die Anime-Serie „Uchu Senkan Yamato“ gestartet wurde, mit einem ziemlich durchgeknallten Plot. In „Space Battleship Yamato“, so der englische Titel, soll nämlich das unvergessene Mega-Schlachtschiff Yamato (das während des Zweiten Weltkriegs zum Schrecken der US-Navy wurde, bis es am 7. April 1945 durch nordamerikanische Trägerflugzeuge versenkt wurde) die Menschheit der Zukunft vor einem Angriff aus dem All retten. Indem der Stahlkoloss wieder aufgeflitzt und umgerüstet wird – und sich anschließend dank Hypertechnik elegant in die Lüfte erhebt (!), zwecks Jagd auf die fiesen Aliens.

Die Produktion von Yomiuri TV begeisterte die Fans, gewann rasch Kultstatus in Japan, so dass die Serie anschließend zu einem Kinofilm mit realen menschlichen Darstellern verdichtet worden ist.

Die in Japan erst in den Tagen der Moderne erdachte Vision vom „Space Battleship Yamato“ ist aber eben, und da schließt sich der Kreis, im Mutterland der zu ihrer Zeit hochmodernen Turtle Ships bereits als eine Art Concept Art vorweggenommen worden, nämlich im verkleinerten Maßstab auf dem Brett des Janggi in Gestalt der geradezu futuristischen Kanonen-Einheiten, sprich: der besagten Flying Turtle Ships. Und auch in der Gegenwart gehören die Koreaner wieder zur Avantgarde, was Technologie im Allgemeinen sowie Gamedesign und Spielkultur im Speziellen angeht. Nicht von ungefähr dominieren Südkoreas E-Sportler die internationale Konkurrenz, und bei Ligakämpfen in StarCraft II oder League of Legends versammeln sich tausende von Zuschauern in Arenen vor gigantischen Screens.

Last not least begeistern sich seit der 2012 produzierten viralen Tanznummer „Gangnam Style“ immer mehr Fans rund um den Globus für junge und freche Unterhaltungsstars aus Fernost.

Der weltweit erfolgreiche südkoreanische Chartsstürmer „Gangnam Style“ … mit einem überraschenden Detail nach 52 Sekunden im Clip: Dort wird, sexy K-Pop-Girls hin oder her, von Game-Junkies heftig Janggi gezockt.

Der Norddeutsche Uwe Frischmuth liegt demnach voll im Trend, wenn er Koreas populären Denksport Janggi nun auch zwischen Hamburg, Berlin und München etablieren möchte. „Janggi ist wie K-Pop auf dem Brett“, schwärmt er und hat bereits mit dem Sinstorfer Schachlehrer Jürgen Woscidlo, der Frischmuths Leidenschaft teilt, im Oktober 2017 ein erstes Turnier in der Hansestadt organisiert.

Und einen Monat später flog das Team Frischmuth und Woscidlo – komplettiert durch den Neueinsteiger Martin Wolff – nach Seoul zu einer Janggi-WM, die dort der Fernsehsender Brain TV ausgerichtet hatte. „Das ist der Wahnsinn, bei denen schalten regelmäßig 1,5 Millionen Zuschauer ein“, berichtet der noch Wochen später sichtlich beeindruckte Frischmuth. „Das macht neidisch!“

v.l.n.r. Uwe Frischmuth, Jürgen Woscidlo, Martin Wolff und Antonio Barra, der für Italien an der WM teilnahm.

Flugtickets und Hotelkosten wurden von den Veranstaltern gesponsert: eine beachtliche Investition, bei zum Teil weit angereisten Kandidaten aus den USA, Kanada oder Polen. Warum also wollen die Südkoreaner das Janggi plötzlich weltweit promoten?

Wahrscheinlich hat das etwas zu tun mit der aktuellen politischen Großwetterlage, mutmaßt Uwe Frischmuth. Schließlich ist das Schach der schwerelosen Schildkrötenboote auch jenseits des 38. Breitengrades äußerst beliebt, und da möchte man in Seoul auch auf diesem Sektor einfach schneller und besser sein als die schwierigen Schwestern und Brüder aus Pjöngjang.

Demnach wird das kein Spaziergang, die verwegene Vision des Uwe Frischmuth, in der koreanischen Dauerkrise auf einem Schleichpfad über die 90 Wegkreuze des Janggi womöglich einen eigenen kleinen Beitrag zum Wandel durch Annäherung zu leisten. Wahrscheinlich dürften für dieses ehrgeizige Projekt deutlich härtere Bandagen notwendig sein, und als Einstimmung wäre zunächst ein Aufwärmtraining im Juldarigi zu empfehlen. Das ist die koreanische Variante des Tauziehens, aber unter verschärften Bedingungen: Die Zugwerkzeuge mutieren zu unglaublichen Riesenwürsten, die aus Reisstroh geflochten werden und einen Meter Durchmesser erreichen, bei einer Teillänge von maximal 200 Metern pro Seite. Auf diese Weise zerren zwei Mannschaften, bei denen sich neben den Kerlen auch Frauen gnadenlos ins Zeug legen, an einem massiven Pflock, der die Monsterriemen verbindet, bis die Partei West oder Ost triumphiert.

Eine schöne Parabel auf den ewigen Streit um die beiden Koreas. Und sollte nach viel Polit-Juldarigi zwischen Seoul und Pjöngjang tatsächlich ein echter Dialog beginnen – der gemeinsame Auftritt anlässlich der Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang weckt zarte Hoffnungen – , bieten sich für die designierten Unterhändler als vertiefte Vorbereitung im Freien ein paar Extrarunden Biseokchigi an. Im besagten Traditionswettkampf versuchen die Aktiven, einen Holzblock (das kann auch ein Stein sein) mit Hilfe eines anderen Teils aus demselben Material umzuhauen. Das klingt simpel, aber gemeine Auflagen machen den Kandidaten zu schaffen: Bevor die Spieler ihre Attacke starten dürfen, müssen sie einen vorher markierten Punkt auf dem Spielgelände erreichen, und zwar hüpfend und die Angriffswaffe (sprich: Holz oder Stein) wahlweise zwischen die Beine geklemmt oder auf dem Kopf balancierend.

Korea Traditional Game, Tuho. Foto: Kang Byeong Kee, CC BY 3.0.

Mit Blick auf eventuelle bilaterale Gespräche hilfreich wären sicher auch Matches im Tuho, das sonst vor allem zum Rahmenprogramm des Neujahrsfestes gehört. Die Teilnehmer werfen Pfeile und versuchen aus einer gewissen Entfernung, die Geschosse in zwei kleineren und einer größeren Öffnung eines bauchigen Holzgefäßes zu versenken.

Geschickte Treffer platzieren ungeachtet diverser Schikanen: Biseokchigi und Tuho sind die Spiele der Stunde im Korea dieser Tage. Während gut zehn Flugstunden entfernt die Janggi-Enthusiasten Jürgen Woscidlo und Uwe Frischmuth unverdrossen an ihrem eigenen Beitrag zur deutsch-koreanischen Freundschaft basteln: fest terminiert für Oktober 2018 ist in Hamburg ein zweites Turnier mit tricky Turtle Ships.

Bericht: Shôgi auf dem Hamburger Japan-Festival 2018

Bei bestem Wetter fanden sich am Samstag zahlreiche Besucher beim Hamburger Japan-Festival 2018 im japanischen Garten von Planten un Blomen ein. Nachdem wir im letzten Jahr einmal ausgesetzt hatten, strömten diesmal, dem Wetter sei’s gedankt, viele interessierte Besucher zum Shôgi-Workshop. René Gralla erzählte gerne über die kulturellen Hintergründe der japanischen Variante des königlichen Spiels, während Jürgen Woscidlo, Masaomi Ishii, Rolf Müller, Nils Meinköhn und Fabian Krahe die Bretter zum Glühen brachten, als sie vielen Neulingen das Japanschach regeltechnisch näher brachten. Untermalt wurde das ganze von japanischer Musik, den Kampfschreien der Budo-Vorführungen und dem leckeren Duft japanischen Essens.
Unser Dank geht an die Organisatoren und allen, die dabei geholfen haben diesen vergnüglichen Nachmittag zu gestalten!

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Japanfestival am 26. Mai 2018 in Hamburg: Programm ist da!

26. Mai 2018 ab 12:00 UhrJapanfestival 2018 Flyer Seite 1

 Programm

  • 12:00-12:20 Uhr: Eröffnung – Taiko Trommeln (Wiese)
  • 12:20-12:30 Uhr: Offizielle Begrüßung (Steg)
  • 12:30-12:45 Uhr: musikalischer Beitrag mit der Shakuhachi (Steg)
  • 12:45-13:30 Uhr: geschlossene Tee-Zeremonie (Teehaus)
  • 13:30-14:30 Uhr: Musik aus Okinawa mit Gitarren- & Sanshin-Begleitung (Steg)
  • 14:30-14:45 Uhr: Musikalischer Beitrag mit der Shakuhachi (Steg)
  • 14:45-15:45 Uhr: Öffentliche Tee-Zeremonie (Teehaus)
  • 14:55-15:35 Uhr: 2x japanische Kampfsport-Demonstrationen: Sojutsu & Kendo (Wiese)
  • 15:45-16:20 Uhr: Traditionell japanischer Tanz (Steg)
  • 16:20-17:10 Uhr: 2x japanische Kampfsport-Demonstrationen: Kyudo & Aikido (Steg)

Gänztägiges Programm

Um den Teich:

  • Accessories & Süßes
  • Infos zu Japan
  • Landestypische Köstlichkeiten – süß & herzhaft
  • Infos zu Bonsai-Bäumen
  • Kalligraphie- und Oshibana – Workshops
  • 19. Japan Filmfest Hamburg
  • Shôgi – Workshop

Japanfestival 2018 Flyer Seite 2Runde Wiesenfläch:

  • Workshops & Grüner Tee:
  • Origami
  • Basteln japanischer Puppen
  • Yukata – Anprobe ©Ichiro Mizutani
  • Furoshiki
  • Postkarten und Lesezeichen mit Japan-Motiven
  • Japanisches Spielzeug

Änderungen vorbehalten

 

 

Der Flyer zum Japan Festival 2018 in Hamburg als PDF

Das Programm zum Japan Festival 2018 in Hamburg als PDF

Die Galaxien erobern im lässigen Rhythmus der Slow-Bewegung: Shôgi-Spieler Konrad Dreier aus Hamburg chillt und siegt auch in fernen Sternensystemen

Wer bisher geglaubt hat, dass Matches im Shôgi echte Geduldsproben sind, der war noch nie Zaungast bei einer Session Twilight Imperium. Das Strategiespiel, in dem mehrere Teilnehmer um die Kontrolle über ein fremdes Milchstraßensystem kämpfen, verlangt von den Aktiven eine gute Kondition; ein krasser Mix aus Early Bird und Nachteule ist auf jeden Fall hilfreich. Einer der Aficionados, die gerade diese Herausforderung genießen, ist der 38-jährige Hamburger Edelfan Konrad Dreier. 3 Spass am SpielVom hauptberuflichen Controller in einer Fotofirma, der in der norddeutschen Shôgi-Szene als starker Spieler bekannt ist, lässt sich Autor René Gralla für die Entdeckung der Langsamkeit am Brett begeistern.

RENÉ GRALLA: Sitzfleisch ist offenbar angesagt im Twilight Imperium, jedenfalls gibt der Verlag für die Partien eine Mindestdauer von sechs Stunden an …

KONRAD DREIER: … und das ist in Wahrheit eine optimistische Schätzung. Nach meiner Erfahrung müssen für Matches, die relativ flott ablaufen, zwischen neun und zehn Stunden einkalkuliert werden. Aber das ist noch gar nichts gegen die längste Begegnung, an der ich teilgenommen habe: Die startete um 12 Uhr mittags und war um 3 Uhr morgens am Folgetag immer noch nicht entschieden. So dass wir das Spiel abbrachen, alle Teilnehmer waren schlicht zu müde.

R.GRALLA: Der reine Wahnsinn, solche Megabattles! Gibt es da nicht zwischendurch Hänger, wenn sich die Sache bloß noch mühsam voranschleppt?

K.DREIER: Nein. Zumal du dann, falls du gerade nicht am Zug bist, während ein anderer seine Einheiten bewegt, heftig mitfieberst und die Daumen drückst, vielleicht könnte ja der Betreffende demnächst zu deinen Verbündeten zählen. Du merkst nicht, wie die Zeit verfliegt – bis sich irgendwann der Hunger einstellt. Und bis es draußen allmählich dunkel wird.

R.GRALLA: Eigentlich soll heute alles schneller werden, das ist die Mantra, die wir aus sogenannten Denkfabriken hören. Andererseits formiert sich dagegen allmählich Widerstand, mit der Slow-Bewegung, die für Entschleunigung wirbt. Ist Twilight Imperium jetzt das passende Spiel zu diesem neuen Trend? 4 Große Schlacht (Blau vs. Gelb)K.DREIER: Menschen, die einfach mal einen Tag frei nehmen, um sich mit Gleichgesinnten zu versetzen in eine ferne Zukunft, und die glasige Augen kriegen beim Gedanken an epische Abenteuer im Weltraum, die sollten hier unbedingt zugreifen.

R.GRALLA: Dass ein Match in Twilight Imperium nicht ruck zuck entschieden ist, liegt vor allem auch am umfangreichen Regelwerk: ein Ehrfurcht einflößendes Kompendium von mehr als vierzig Seiten, gegen das der Kanon im Shôgi ein Witz ist. Wie kriege ich das drauf?

K.DREIER: Halb so wild. Werden Ihnen die wichtigsten Aktionen von einem erfahrenen Spieler erklärt, können Sie schon nach einer Stunde loslegen – und für Zweifelsfragen haben selbst Profis das Regelbuch immer griffbereit neben dem Brett liegen. Aber ich gebe zu: Als ich Twilight Imperium zum ersten Mal in einem Laden entdeckte, stellte ich das umgehend wieder zurück ins Regal. Denn ich dachte, das wäre bloß etwas für totale Nerds. Mein zweiter Anlauf startete bei einem Freund, der zeigte mir, wie Twilight Imperium funktioniert – und seitdem gehört das Spiel zu meinen persönlichen Favoriten. Schließlich ist das eine wirkliche Bereicherung für jeden, der den Wettkampf in einer anregenden Runde mit Freundinnen und Freunden liebt. Anstatt nächtelang am Computer zu zocken.

R.GRALLA: Obwohl sich das Szenario – in einer umkämpften Galaxie, nach dem Zusammenbruch der bisher dort herrschenden Ordnungsmacht – doch eigentlich auch für ein bildgewaltiges E-Game eignet.

K.DREIER: Nicht unbedingt. Ließe sich Twilight Imperium aus einer Ich-Perspektive programmieren, zum Beispiel wie der Kapitän eines Raumschiffs das Geschehen sehen würde, könnte eine digitale Version vielleicht überlegen sein. Aber Twilight Imperium ist ein strategisches Spiel, auf der Basis einer Karte, die einen Abschnitt eines fiktiven Universums widerspiegelt, und käme recht spröde rüber am Bildschirm.

R.GRALLA: Demnach ist Twilight Imperium ein schönes Beispiel dafür, dass Old School-Brettspiele im Vergleich zu modernen E-Games durchaus punkten können.

K.DREIER: Genau! Sie müssen Bündnisse schließen und mit Verrat rechnen. Ihre Gegner arbeiten mit Bestechung oder Erpressung; entsprechend wichtig sind die intensiven Kommunikationsprozesse, die am Brett ablaufen. Dieser ständige Dialog – gerne auch mit nonverbalen Mitteln, indem ich eine drohende Miene aufsetze, um die Konkurrenz von leichtsinnigen Übergriffen auf meine Zone abzuhalten – macht das Spiel zum Nonplusultra, was Spannung und strategische Tiefe betrifft. Jeder Partieablauf ist dermaßen einzigartig, dass du dich selbst Jahre später an entscheidende Wendungen erinnerst. Und das alles lebt vom direkten Kontakt Face-to-Face, der aus meiner Sicht ohnehin zu echtem Spiel gehört. Und den kein Chat via Skype während eines Multiplayer-Online-Games ersetzen kann. Das Headset ist eben bloß ein notdürftiger Ersatz dafür, deinen Kontrahenten direkt ins Gesicht zu sehen. 1 Invasion (Blau vs. Rot)R.GRALLA: Selbst wenn dir der vermeintliche Freund unvermutet in den Rücken fällt? Bündnisse können Knall auf Fall gekündigt werden!

K.DREIER: Ja klar, im Verborgenen werden gerne die Dolche gewetzt! Du musst einstecken können – und zugleich auch Spaß daran haben, deinerseits kräftig auszuteilen.

R.GRALLA: Da kommen die besten Seiten der Menschen raus …

K.DREIER: … so ungefähr! (lacht)

R.GRALLA: Und führt das nicht oft zu großem Geschrei? Und womöglich Handgreiflichkeiten?

K.DREIER: Das habe ich noch nie erlebt. Aber Unmutsbekundungen sind natürlich drin. Und Rachegelüste werden hemmungslos ausgelebt: Vor dem Wettkampf hast du jemanden für einen Netten gehalten – und plötzlich fällt er dir in den Rücken. In Twilight Imperium kannst du perfekte Charakterstudien anstellen, die eine sprichwörtliche Erkenntnis bestätigen: Auch nach vielen Gesprächen über ein ganzes Jahr verteilt lernst du einen Menschen nie so gut kennen wie nach nur einer einzigen Stunde am Spielbrett.


Neuer Imperator in der Galaxie gesucht

Von René Gralla

Die Ruinen der einstigen Hauptstadt der Galaxie, Mecatol Rex, dämmern verwaist im Zentrum des Milchstraßensystems, nach dem Zusammenbruch der Herrschaft durch die Lazax. Jetzt wollen andere Rassen, zum Beispiel die humanoide Federation of Sol oder die Barony of Letnev, sich im Machtvakuum durchsetzen. Das ist die Ausgangslage im Strategiespiel Twilight Imperium, das der US-Autor Christian T. Petersen 1997 kreiert hat.

Die drei bis acht Teilnehmer eines Matches übernehmen am Brett, das sich aus sechseckigen Feldern zusammensetzt, den Part eines der konkurrierenden Völker. Nicht allein militärische Mittel, dazu zählen Raumkreuzer und Bodentruppen, sind wichtig, sondern auch die geschickte Ausnutzung von Ressourcen sowie die Verbesserung eingesetzter Technologien.

Über den Fortgang der sechs bis zehn Runden entscheiden akribische Planung, geschickte Taktik, cleveres Verhandeln sowie, um auch dem Zufall eine Chance zu geben, Würfel und Ereigniskarten. Auf diese Weise versuchen die Gegner, nach einem abgestuften System die notwendigen Siegpunkte einzustreichen, und der erste, der zehn Zähler für sich reklamieren kann, wird zum neuen Imperator ausgerufen.

Nach vier englischsprachigen Editionen bringt der Spielverlag Asmodee im Sommer 2018 erstmalig eine deutsche Ausgabe auf den Markt.

2 Mittlere Schlacht (Lila vs. Grün)

Bericht vom Shôgi Kyu Cup am 4. November 2017 in Hamburg

Berlin vor Hamburg und Düsseldorf. So banal könnte man das Endergebnis des Shôgi Kyu-Cups 2017 beschreiben, welcher dieses Jahr nun schon zum 4.Mal in Hamburg als Eintagesturnier ausgetragen wurde. 8 Teilnehmer waren im Hauptturnier gegeneinander angetreten, 6 davon mit einer annähernd gleicher Leistungsdichte.

Berlin vor Hamburg und Düsseldorf
Berlin vor Hamburg und Düsseldorf

Richard Rödel entführte die Siegerpferd-Trophäe des Hauptturniers mit der möglichen Höchstpunktzahl von 5 Siegen aus 5 Partien erneut nach Berlin, der Stadt mit den meisten Kyu Cup Siegern. Hamburg dürfte über den 2. Platz von Uwe Frischmuth in diesem Turnier auch nicht unglücklich sein – festigte er doch seine spielerische Position in der Hansestadt gegenüber der durchweg gleichwertigen Konkurrenz aus Wolfsburg, Düsseldorf und dem eigenen Lager. Marcel Keitsch durfte sich über seinen dritten Platz freuen. Immerhin hatte er sich gegen Rene Gralla und Ingo Köhler durchgesetzt. Seine Düsseldorfer Kollegen haben ihn auch online sogleich beglückwünscht.

Obgleich die Höchstpunktzahl sehr überzeugend wirkt, musste Richard Rödel als 2. Kyu ausgerechnet gegen Volker Hildebrand- einem 9. Kyu aus Wolfsburg – alles geben, um den Punkt einzufahren. In der letzten Partie behielt Richard trotz Dauerfeuers auf seinen nackten König seine Nervenstärke und Übersicht; setzte sich am Ende mit erfahrenerem Spiel durch. Auffällig für Aussenstehende: er schaute sich stets genau die Möglichkeiten des Gegners mit dessen „Hand“ an, um Gegenchancen abzuschätzen. Mit Erfolg!

Richard Rödel bot mit nacktem König seinem vermeintlichem Schicksal die Stirn
Richard Rödel bot mit nacktem König seinem vermeintlichem Schicksal die Stirn

Volker als Unterlegener brauchte sich nicht zu grämen, zeigte er doch eine beachtliche Leistungssteigerung in diesem Spiel, welche trotz seines vermeintlich mageren Endergebnisses von einem Punkt berechtigt auf bessere Zeiten hoffen lässt. Konrad Dreier zeigte auch in diesem Turnier erneut seine stetige Präsenz. Er wurde nur durch die Feinwertung auf den vierten Platz verdrängt. René Gralla aus Hamburg und Ingo Köhler aus Wolfsburg schienen diesmal von ihrer Bestform entfernt. Sie ließen auf ihrem Weg den einen oder anderen Punkt einfach liegen. Unser lokales Urgewächs und hoch geachteter Ur-Trainer Ishii Masaomi musste sich angesichts starker Konkurrenz mit dem letzten Platz zufrieden geben.

Angenehme Atmosphäre beim Kyu Cup 2017
Angenehme Atmosphäre beim Kyu Cup 2017

Auffällig war die gute Stimmung, die bei dieser Veranstaltung von insgesamt 14 Teilnehmern herrschte. Dies war zu einem Gutteil der Teilnahme unserer zweiten Turnierhälfte geschuldet – der Shôgi Boys-Group. Um den krassen Spielunterschieden nicht zuviel Raum zu geben, wurde das Turnier kurzerhand in zwei eigenständige Gruppen unterteilt. 5 Kinder und Jugendliche aus Hamburg und Lübeck setzten sich zusammen mit Rolf Müller ans Brett – und verbreiteten ständig gute Laune. Rolf musste schnell zur Kenntnis nehmen, dass die Jungs ziemlich gefährlich waren- einen Punkt haben sie ihm gnädig gelassen.

Gute Laune bei den Teilnehmern des B-Turniers
Gute Laune bei den Teilnehmern des B-Turniers

Sein Sohn Markus Müller sorgte dagegen mit 4 Punkten aus 5 Spielen ebenso wie der Harburger Niels Meinköhn für den ersten Stichkampf bei einem Kyu Cup. Dieser wurde mit jeweils 8 Minuten und 10 Sekunden Byôyomi pro Spieler vor den kiebitzenden Teilnehmern des Hauptturniers ausgespielt. Niels Meinköhn behielt hierbei letztlich die Oberhand und wurde Sieger des B-Turniers; alles für die Nachwelt auf youtube festgehalten. Einhelliger Kommentar der Beiwohnenden: Kein schlechtes spielerisches Niveau, welches hier zu sehen war! Die Lübecker konnten mit dem 2. Platz in der Tasche stolz nach Hause fahren.

Folgend ein Video vom Finale des B-Turniers:

Spannung pur beim Stichkampf der Boys-Group
Spannung pur beim Stichkampf der Boys-Group

Während der Spielpausen zeigte sich die Boys-Group von ihrer besten Seite. Sie hörten einfach nicht auf, gut gelaunt Shôgi zu spielen. Da scheint etwas heranzuwachsen, welches wohl eine „Jugendsparte Nord“ begründet. Letztlich spricht auch die hohe Leistungsdichte untereinander eine klare Sprache.

Kurz vor Turnierende eine Überraschung: Norbert Schäfer, ein Hamburger Shôgi-Urgestein mit einer von 2010 gelisteten 2.Kyu-Wertung, stand plötzlich im Turniersaal. In der Hand hielt er mehrere Shôgibücher, die er als Geschenk an die Turnierteilnehmer überreichte. Diese stockten sogleich den Preisfond auf.

Das Konfuzius Institut Hamburg erwies sich wieder einmal als Partner mit idealem Veranstaltungsort, nicht nur wegen der zur Verfügung gestellten Getränke. Die erfolgreiche Zusammenarbeit bei anstehenden Turnieren schlägt sich in Vielem nieder, welches an anderen Veranstaltungsorten ungleich schwerer zu bekommen ist. Das fängt bei den Räumlichkeiten selber an bis zu den gestifteten Preisen für die Teilnehmer. Am wichtigsten ist aber der unterstützende Geist, der auftauchende Probleme sofort im Keim erstickt. Vielen Dank für die Unterstützung!

Bei der Siegerehrung wurden mehrere Dinge angekündigt:
Zum Einen die erneute Durchführung eines zweiten jährlichen Shôgi-Turniers, welches sich in Hamburg zu etablieren scheint. Außerdem der Plan, ein weiteres Turnier in Hamburg anzubieten: als geschlossenes Turnier nur für Dan-Spieler, parallel zum Kyu Cup! Da die Elozahlen allerdings oft genauere Sprache sprechen was die aktuelle Spielstärkeneinstufung betrifft, müssen wir mit den genauen Bedingungen der Ausschreibung noch warten.
Als letzte Ankündigung bleibt – die Ausrichtung des Kyu Cups 2018!

René Gralla und Uwe Frischmuth

Turnierleitung


Die Ergebnisse

Shogi Kyu Cup Hamburg 2017 Ergebnisse 30 min Grundbedenkzeit plus 30 sek Byoyomi 5 Runden Schweizer System
Hauptturnier
Startnr. Name Nationalty Rank Elo 1 2 3 4 5 6 7 8 Punkte Platzierung
1 Rudolf Rödel DE 2 kyu 1589 xx 1 1 1 x 1 x 1 5 1
2 Rene Gralla DE 6 kyu 1211 0 xx x 0 1 0 1 x 2 5 Feinwertung
3 Ingo Köhler DE 6 kyu 1178 0 x xx 0 0 x 1 1 2 6 Feinwertung
4 Uwe Frischmuth DE 7 kyu 1161 0 1 1 xx x 1 x 1 4 2
5 Konrad Dreier DE 7 kyu 1117 x 0 1 x xx 0 1 1 3 4 Feinwertung
6 Marcel Keitsch UA 7 kyu 1088 0 1 x 0 1 xx 1 x 3 3 Feinwertung
7 Ishii Masaomi J 12 kyu 704 x 0 0 x 0 0 xx 0 0 8
8 Volker Hildebrand DE 9 kyu 1090 0 x 0 0 0 x 1 xx 1 7
Sieger des Kyu Cups Hamburg 2017 – Rudolf Rödel aus Berlin
Uwe Frischmuth
Spielvereinigung Brettspiel Hamburg von 1989
Turnierleitung
Shogi Kyu Cup Hamburg 2017 Ergebnisse 30 min Grundbedenkzeit plus 30 sek Byoyomi 5 Runden Schweizer System
B-Turnier
Startnr. Name Nationalty Rank Elo 1 2 3 4 5 6 Punkte Platzierung
1 Markus Müller DE 12 kyu 710 xx 1 1 1 1 0 4 2 Stichkampf
2 Niels Meinköhn DE 16 kyu 530 0 xx 1 1 1 1 4 1 Stichkampf
3 Ian Meinköhn DE 15 kyu 509 0 0 xx 1 1 1 3 4 Feinwertung
4 Rolf Müller DE 15 kyu 499 0 0 0 xx 1 0 1 5
5 Sven Meinköhn DE non non 0 0 0 0 xx 0 0 6
6 Anton Borysov UA non 601 1 0 0 1 1 xx 3 3 Feinwertung
Sieger des B-Turniers beim Kyu Cup Hamburg 2017 – Niels Meinköhn aus Hamburg/Harburg
Uwe Frischmuth
Spielgemeinschaft Brettspiel Hamburg von 1989
Turnierleitung