Amano Sôho 天野宗歩 – Der stärkste Shôgispieler der Edo-Zeit

Amano Sôho 天野宗歩 (1816-13.05.1859) gehörte zu den stärksten Spielern der Edo-Zeit, und zu seinen Lebzeiten war er wahrscheinlich der stärkste Spieler Japans. Da er nicht einer der drei Familien angehörte, in denen der Titel des Meijin weitergegeben wurde, erhielt er diesen Titel nicht. Der höchste Grad, den er erreichte, war der 7. Dan, doch wurde er ob seiner Spielstärke als „fähig wie ein 13-Dan“ 実力十三段 bezeichnet. Später wurde er auch Kisei 棋聖 (dt. etwa „Shôgiheiliger) genannt, weshalb der Titel des Kisei-Titelkampfes auf ihn zurück geht. Hirahata Zensuke 平畑善介 (1908-1972), der von Hanamura Motoji 花村元司 (1917-1985) einmal als „stärkster Amateurspieler der Geschichte“ 「史上最強のアマ名人」 bezeichnet wurde, sagte über Amano Sôho, man müsse nur dessen Partien studieren, um gut im Shôgi zu werden.

In einem alten Dokument der Ôhashi-Familie heißt es, Amano stamme aus der Provinz Musashi. Nach anderen Quellen wurde er im November 1816 in Edo als zweiter Sohn von Obata Kabei geboren, und erst später von der Familie Amano adoptiert. In seiner Kindheit trug er den Namen Tomujiro.

Bereits im Alter von fünf Jahren, im August 1820, wurde er der Schüler von Ôhashi Soekin 大橋宗金 (1804-1874), dem späteren Ôhashi Sokei XI. Aus dem Jahr 1821 ist uns sein ältestes Kifu erhalten. Eine Partie, die er gegen seinen Lehrer Ôhashi spielte. 1825 wurde er Shodan und vier Jahre später stieg er zum 2. Dan auf. Im März 1834 erhielt er schließlich die Beförderung zum 5-Dan. In diesem Jahr ging er in die Region Kamigata. Dort spielte er am 5. Juni gegen Ôhashi Ryûsetsu 大橋柳雪 (1795-1839) eine bekannte Partie mit einer Lanze Handicap. Im September 1834 kehrte er bereits wieder nach Edo zurück, nur um im März des darauffolgenden Jahres wieder nach Kamigata zu gehen und dort für die nächsten Jahre zu leben. Auf dem Weg nach Kamigata spielte er in Nimazu vier Partien ohne Handicap gegen Yonemura Hyôe 米村利兵衛.

1842 kehrte Amano zurück nach Edo und ging im folgenden Jahr von dort in die Kaiserstadt Kyôtô, um dort verheiratet zu werden. Seine Frau verstarb bereits sechs Jahre später. 1850 errichtete er den Grabstein seiner Frau neben dem Grabstein des Ôhashi Sôkei I. 初代大橋宗桂 im Reiko-ji 霊光寺 in Kyôtô. Der Grabstein hatte die Form eines Shôgisteins. Auf ihm waren die Schriftzeichen 「歩兵」 eingraviert und die Namen von 49 Schülern von Amano Sôhô.

Moriuchi Toshiyuki 森内俊之 (*1970) und Habu Yoshiharu 羽生善治 (*1970) besuchten am 30. Mai 2012 zu Ehren des 400. Jahrestags des Meijintitels die beiden Grabsteine im Reiko-ji 霊光寺 in Kyôtô.

Im Juni 1845 ging er wieder nach Edo und änderte seinen Namen in Tomijiro. Am 26. September wurde zu ehren seiner Beförderung zum 6-Dan eine Zeremonie an der Seite von Koshuya Sakichi 甲州屋佐 abgehalten. Dort spielte er auch gegen Itô Inju, den späteren Itô Sôin VIII. 八代伊藤宗印 (07.1826-06.01.1893) und 11. Meijin mit einem Lanzen-Handicap.

Im September 1846 wurde er zum 7-Dan befördert und ging im November mit seinem Schüler Ichikawa Tarômatsu 市川太郎松 nach Kyôtô. Ichikawa war Amanos erster Schüler und erlange im 20. Jhdt. größere Bekanntheit durch Kurashima Takejirôs 倉島竹二郎 (1902-1986) Buch Shôgi Taiheiki 将棋太平記, in dem er der Protagonist ist. Für seine Beförderung hielt Amano am 2. Mai 1847 in Ôsaka ein Treffen ab.

In seinen späteren Jahren war Sôho zwar stark im Shôgi, jedoch legte er eine schlechtes Verhalten an den Tag. Es heißt, dass er zuviel trank und Shôgi um Geld spielte. Im Mai 1852 durfte er eine eigene Familie gründen. Er rasierte sich eine Tonsur und nahm den Namen Sôho an. Mit der Empfehlung der drei Shôgi-Familien, darunter Ôhashi Sôkei XI. 十一代大橋宗桂 (1804-1874), gründeten er und Wada Intetsu 和田印哲, einem Schüler der Familie Itô, eine Familiennebenlinie. So durften sie erstmals an dem jährlichen Shôgi-Spiel in der Burg von Edo 御城将棋 teilnehmen. (Im Falle von Go durfte jeder im Rang eines 7-Dan oder höher ohne Bedingungen am jährlichen Go-Spiel vor dem Shôgun in Edo 御城碁 teilnehmen. Das war im Shôgi nicht erlaubt.)

Burg Edo, fotografiert von Beato Felice, etwa 1870-1879.

Nachdem Amanos Beförderung zum 8. Dan abgebrochen wurde, arbeitet er unabhängig von den drei großen Shôgifamilien als Profispieler und bildete viele Schüler aus. Kobayashi Tôhakusai 小林東伯斎 (?-1898), Ichikawa Tarômatsu 市川太郎松 (?), Watase Sôjirô 渡瀬荘次郎 (?), Hirai Torakichi 平居寅吉 (?) waren als starke Spieler bekannt und wurden als die vier Himmelskönige des Amano Sôho 天野宗歩の四天王 bezeichnet. Kobayashi Tôhakusai 小林東伯斎 wurde später Ôsaka- bzw. Kansai-Meijin genannt. Ein Titel den auch sein Schüler Sakata Sankichi 坂田三吉 einmal annehmen sollte. Sakata und Kobayashis anderer Schüler Inoue Yoshio 井上義雄 (1865-1920) werden auch als Amanos Enkel bezeichnet. Beide spielten 1915 in einem Turnier unter der Schirmherrschaft von Graf Yanagisawa Yasutoshi 柳沢保恵伯爵 (1871-1936) um die Nachfolge von Ono Gohei XI. Meijin 小野五平 (1831-1921), der auch oft als Amanos Schüler bezeichnet wird, weil er sich von Amano ausbilden ließ, als er nach Kyôtô ging. Auch behauptete er kurz vor seinem Tod Schüler Amanos gewesen zu sein, doch dies wird von einigen wegen anderslautender Aufzeichnungen in Zweifel gezogen. Sie gehen davon aus, das Ono lediglich ein Schüler von Ôhashi Sôkei XI. war.

Ono Gohei XI. Meijin 小野五平 (1831-1921)

1853 veröffentlichte Amano Sôho das Jôseki-Buch „Shôgi Seisen“ 将棋精選 (dt. etwa „Shôgiauslese“). Neben diesem Buch veröffentlichte er auch das Buch Shôgi Kuden 将棋口伝 (dt. etwa „mündliche Unterweisung im Shôgi“), von dem jedoch das Veröffentlichungsdatum unbekannt ist. 1877 erschien posthum mit Shôgi Tekagami 将棋手鑑 (dt. etwa „Shôgibeispiele“) eine Partiensammlung.

1854 begab er sich auf eine Reise durch Ôshû, die heutigen Präfekturen Aomori und Iwate im Norden der japanischen Hauptinsel Honshû und im folgenden Jahr durch Echigo, die heutige Präfektur Niigata nördlich Tôkyô.

1856 nahm er ein letztes mal am Shôgi-Spiel in der Burg von Edo teil. Es war auch das letzte Spiel vor dem Shôgun Muneyoshi. Sôho gilt als ein Meister im Einsatz des Läufers. Seinen berühmtesten Läuferzug spielte er in dieser Edo-Burg-Partie am 17. November gegen Itô Sôin VIII. 八代伊藤宗印 (1826-1893) mit 33 ☗1八角打. Es gibt viele gute Züge von ihm, in denen er den Läufer zum Einsatz brachte, aber dieser Zug gilt als sein bester und ist auch als solcher in die Shôgigeschichte eingegangen. Auch Senzaki Manabu 先崎学 (*1970), einer der Habusedai 羽生世代, stellte dessen meisterhaften Umgang mit der Lanze heraus. Seine Fähigkeit Sabaki zu erreichen, sei vergleichbar mit der von Kubo Toshiaki 久保利明 (*1975).

Zug 33: ☗1八角打 まで
Amano Sôho 天野宗歩 (1816-13.05.1859) gegen Itô Sôin VIII. 八代伊藤宗印 (1826-1893) am 17. November 1856 in der Burg Edo.

Im Frühling des folgenden Jahres ging er abermals nach Echigo und verbrachte die Zeit bis Anfang 1858 dort. Am 28. März 1859 spielte er seine letzte große Partie gegen seinen Schüler Ichikawa Tarômatsu 市川太郎松, welche mit nur 26 Zügen unbeendet blieb, bevor er am 13. Mai 1859 im Alter von nur 44 Jahren verstarb. Offiziel verstarb er durch Krankheit, aber es wird vermutet, dass die Todesursache tatsächlich eine andere gewesen sein könnte. Sein Grab findet sich im Honmyoji in Sugamo, Tôkyô.

Sôho ist bekannt für sein schnelles Spiel. In der Edo-Zeit wurde Shôgi viel langsamer gespielt als heutzutage. Der Wechsel im Spielstil ist vergleichbar mit dem Wechsel vom romantischen Schach zum modernen FIDE-Schach in Europa. Gerade wegen seiner Schnelligkeit, seiner Intuition, die ihn jeder Öffnung nutzen ließ, und er seine Burgen in einer ähnlichen Art wie das in den 1990er Jahren entwickelte Nakahara-Gakoi 中原囲い baute, gilt er heute vielen als der stärkste Shôgispieler der Geschichte.

Nakahara-Gakoi 中原囲い

Als Habu Yoshiharu 羽生善治 (*1970) gefragt wurde, welches seiner Meinnung nach der stärkste Shôgispieler der Geschichte sei, nannte er Masuda Kôzô 升田幸三 (1918-1991) und Amano Sôho. „Wenn man ihn sich heute ansieht, spielt er mit großartiger Geschwindigkeit Shôgi. Seine Gegner spielten langsam, daher kann man den Unterschied in seiner überwältigenden Geschwindigkeit sehen. Würde er heute spielen, so würde er ein erstaunliches Resultat erzielen.“ 「今の目で見たらすごいスピード感溢れる将棋を指している。相手がのんびり指しているのでその圧倒的なスピードの違いがよく分かる。現代に現れてもすごい結果を残したのではないだろうか」