Entscheidungsspiel im Nanzenji

Von Fabian Krahe

Zu seinem 150ten Geburtstag habe ich Sakata Sankichi 坂田三吉 (01.07.1870-23.07.1946) bereits mit einem Überblick über sein Leben gewürdigt. Nun möchte ich seine wohl bekannteste Partie vorstellen: Das Entscheidungsspiel im Nanzenji 南禅寺の決戦.

Nanzenji 南禅寺 in Kyoto via wikimedia.

1924 wurde der Tôkyô Shôgi Renmei 東京将棋連盟 gegründet und es kam zu einer organisatorischen Spaltung der Shôgiwelt. Sakata rief sich als Reaktion darauf 1925 selbst zum Meijin aus. Er wurde vom Tôkyô Shôgi Renmei ausgeschlossen und war in der Shôgiwelt weitgehend isoliert. Die Spaltung der Shôgiwelt konnte am 29. Juni 1936 mit der Gründung des Shôgi Taiseikai 将棋大成会, dem direkten Vorläufer des heutigen Nihon Shôgi Renmei, überwunden werden. Mit dem neu gegründeten Shôgi Taiseikai konnte Sakata einen Vergleich schließen, der ihm die Rückkehr in den Verband erlaubte.

Um diese Rückkehr Sakatas gebührend zu würdigen, organisierte die Yomiuri Shinbun ein besonderes Spiel. Sekine Kinjirô 関根金次郎 (23.04.1868-12.03.1946), der 13. Meijin auf Lebenszeit, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seinen Rücktritt von diesem Titel angekündigt, was die endgültige Abkehr vom System des ererbten Meijintitels und den Aufbruch in die moderne Organisation des Shôgi markiert. Da fortan um den Meijintitel in einem Turniersystem gespielt werden sollte, entschied man sich, dass die beiden aussichtsreichsten Kandidaten gegen Sakata antreten sollten. Das waren Hanada Chôtarô 花田長太郎 (1897-1948) und Kimura Yoshio 木村義雄 (1905-1986).

Zuerst sollte Sakata im Nanzenji 南禅寺 (ji 寺 = Tempel) in Kyoto gegen Kimura antreten. Die Partie begann am 5. Februar 1937 und war auf sieben Tage bei 30 Stunden Bedenkzeit angesetzt. Das ist eine sehr lange Bedenkzeit. Heute werden die meisten Partien an ein oder zwei Tagen gespielt. Es wurde erwartet, dass Sakata Kimura einen harten Kampf liefern würde.

Die Partie erregte ohnehin schon viel Aufmerksamkeit, aber mit Sakatas erstem Zug wurde es zum Spektakel.

Sakata mit Weiß spielte auf ☗76 ☖94. Das ist als „Sakatas Vorstoß mit Bauern am Rand“ 「坂田の端歩突き」bekannt. In der damaligen Shôgiwelt wurde dieser Zug allgemein als schlecht angesehen und kam einem Zugverlust gleich. Aber in diesem Fall galt er als Ausdruck des rebellischen Geistes von Sakata gegenüber Tokyo und besonders die Kansaier Shôgispieler waren begeistert.

Auch sein Gegner Kimura Yoshio, der ein gradliniges Shôgi bevorzugte und unorthodoxe Züge und Tricks für unter seiner Würde hielt, schrieb später er sei „beeindruckt von diesem Zug“ gewesen, sich gleichzeitig aber auch über den Fehler freute. Tatsächlich konnte Kimura nach 95 Zügen einen recht eindeutigen Sieg über Sakata für sich verbuchen. Kaum verwunderlich, hatte der 66-jährige Sakata den Zenit seines Könnens bereits zwanzig Jahre zuvor überschritten, während der 32-jährige Kimura zum Zeitpunkt der Partie der stärkste Shôgispieler war und seinen Zenit gerade erreichte. Dass jedoch gerade Kimura gegen Sakata zu dessen Rückkehr antrat, zeigt auch den Prestige, den Sakata noch in der Shôgiwelt genoss.

Sakata Sankichis Enkel Naitô Kunio 内藤國雄, 9-Dan (*15.11.1939-) via wikimedia.

Ob der Entscheidungskampf im Nanzenji wirklich die größte Partie in der damals 370-jährigen Geschichte des Shôgi war, wie Sakatas Enkel Naitô Kunio 内藤國雄, 9-Dan (*15.11.1939-) 1979 in seinem Buch Sakata Sankichi Meikichi Meikyushu 阪田三吉名局集 schrieb, sei einmal dahingestellt. Fest steht, dass die Partie damals ein sehr großes Medienecho hervorrief und zu den bekanntesten Shôgipartien überhaupt zählt.

Hanada Chôtarô 花田長太郎 (1897-1948)

Im März 1937 spielt Sakata dann gegen Hanada Chôtarô im Tenryuji. Diese Partie ist als „Entscheidungsspiel im Tenryuji“ 天龍寺の決戦 bekannt und Sakata verlor sie nach 169 Zügen.