Von Fabian Krahe
Sakata Sankichi 坂田三吉 (01.07.1870-23.07.1946) gehört zu den Ausnahmefiguren der Shôgiwelt. Er zählt zu den besten und innovativsten Spielern seiner Zeit und gehört zu den Shôgispielern, die die moderne Shôgiwelt entscheidend prägten.
Sakata wurde in der Stadt Sakai nahe Ôsaka geboren. Dort wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf. Um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, stellte er Strohsandalen (Zôri 草履) her. 1886 ging er bei einem Zôrigroßhändler in Ôsaka in die Lehre. Zu dieser Zeit zeigte sich bereits seine Genialität auf dem Brett. In den Straßen Ôsakas spielte er gegen ältere und erfahrenere Shôgispieler und konnte viele Partien für sich entscheiden. Durch eine Verletzung während der Lehre hatte er offenbar genug Zeit sein Spiel zu verbessern. Wegen ihr verließ er jedoch auch seinen Ausbildungsplatz und kehrte in seine Heimatstadt zurück, um dort im Familienunternehmen zu helfen. Er soll nie richtig Lesen und Schreiben gelernt haben und war praktisch Analphabet.
Dennoch konnte er sich in Ôsaka als Amateurspieler schnell einen Namen machen und 1891 kam es zur ersten Konfrontation mit Sekine Kinjirô 関根金次郎 (23.04.1868-12.03.1946), die in einer schweren Niederlage für Sakata endete. Dennoch sollte sich diese Begegnung für Sakata als äußerst günstig erweisen. Hatte er bisher lediglich autodidaktisch sein Spiel verbessert, sollte Sekine für ihn eine Art erster Lehrmeister und jahrzehntelanger Konkurrent werden. Die Spiele gegen Sekine veranlassten Sakata auch dazu, ein Profispieler werden zu wollen.
Als Sekine Kobayashi Tôhakusai 小林東伯斎 traf, der damals Ôsaka Meijin genannt wurde und zu den vier Himmelskönigen des Amanosôho 天野宗歩の四天王 gehörte, zeigte Sekine ihm die Spielaufzeichnungen von Sakata. Kobayashi war von den Fähigkeiten Sakatas überrascht und bat Sekine, ihm Sakata vorzustellen. Kobayashi lobte Sakatas Talent und brachte ihm bei, wie er seine Ôgoma (Turm und Läufer) besser benutzen kann. Sakata erinnerte sich, dass die Begegnung mit Kobayashi sehr ermutigend war.
1903 spielten Sakata und Sekine weitere Spiele und von den Spielaufzeichnungen sind noch ein Sieg und eine Niederlage erhalten. Es gibt eine Theorie, dass Sakata eines dieser Spiele durch Sennichite verlor, ohne diese Regel zu kennen. In seinem Buch „Shôgi Philosophie“ (Shôgi Tetsugaku 将棋哲学), in dem er seine Geschichte erzählt, schreibt Sakata, dass er seiner Frau sagte, erst jetzt, nachdem er wegen Sennichite verloren habe, sei er ein wahrer Shôgispieler. Einer anderen Theorie zufolge, war es am 22. April 1906, als Sakata im Amida-chi-Wakôji-Tempelbezirk in Ôsaka im Glyzinienteehaus gegen Sekine im Endspiel die Sennichite-Regel nicht kannte und deswegen verlor. Für Sakata soll dies das Spiel gewesen sein, das ihn zu einem wirklichen, einem echten Shôgispieler machte. Danach setzte er sich das Ziel, Sekine zu stürzen. In Hôjo Hidejis Stück „Ôsho“ heißt es, Sakata hätte in diesem Jahr, 1906, zum ersten Mal gegen Sekine wegen Sennichite verloren.
1907 planten die drei 8-Dan Spieler Sekine Kinjirô, Inoue Yoshio 井上義雄 (1865-1920) und Kosuge Kennosuke 小菅剣之助 (1865-1944) eine Partie bei der Kôbe Shinbun. Sakata konnte Kosuge in einer Handicappartie (1 Lanze) besiegen. Sakata hat Glück, dass dadurch einige Gönner auf sein Talent aufmerksam wurden und 1908 wurde er Angestellter der Ôsaka Asahi Shinbun. Dadurch wurde Sakatas Leben auf eine bessere materielle Grundlage gestellt und er konnte seine Fähigkeiten verbessern.
Im Juli 1910 wurde die Kansai Shôgi Studiengruppe 関西将棋研究会 mit Sakata als Vorsitzendem gegründet. Zur gleichen Zeit beförderte sich Sakata mit Unterstützung seiner Förderer zum 7-Dan, in dem er plötzlich in der Ôsaka Asahi Shinbun verkündete: „Ich habe die Fähigkeiten eines 7-Dan, also werde ich mich selbst als solchen bestätigen“ 「自分は七段の実力があるから自分で七段を認定する」Sakata sagte, er glaube er habe diese Fähigkeiten und er habe sich selbst einen Namen gemacht. Sollte das jemand anzweifeln, würde er zu jeder Zeit jede Herausforderung annehmen. Er hatte zu dem Zeitpunkt bereits alle Spieler diesen Ranges besiegt.
Im April 1913 ging er zum ersten Mal nach Tokyo. Sakata gewann das Willkommensspiel (1 Lanze Handicap) gegen 8-Dan Sekine, das im Tsukiji Club am 6. und 7. April abgehalten wurde. In diesem Spiel soll Sakata den Ausdruck „Der Silber weint“ 「銀が泣いている」 geprägt haben. Nach diesem Spiel wurde er auch offiziell als 7-Dan anerkannt. Am 9. April verlor Doi Ichitarô 土居市太郎 (1887-1973), Schüler von Sekine und zu diesem Zeitpunkt 6-Dan eine Partie ohne Handicap. Am 14. Juli gewann Sekine eine Partie ohne Handicap, dass die Ôsaka Asahi Shinbun sponserte mit einem Sleeve Rook Castle.
1914 verlor Sakata eine weitere Partie gegen Sekine, der zu ihm nach Ôsaka gegangen war. Ein Jahr später erlaubte ihm Ono Gohei 12. Meijin auf Lebenszeit 小野五平 (1831-1921) die Beförderung zum 8-Dan. Ab dann nannte Sakata sich selbst einen Schüler von Ono Gohei. Im selben Jahr gewann Sakata gegen Inoue Yoshio 8-Dan. 1917 wurde er mit Unterstützung des Politikers, Statistikers und Geschäftsmanns Yanagisawa Yasutoshi 柳沢保恵 (1871-1936), der ein starker Förderer des Shôgi war, endlich zum 8-Dan befördert.
1918 spielte Sakata sechs Mal gegen Sekine ohne Handicap und konnte davon 4 Spiele gewinnen. Jedoch verlor er im selben Jahr gegen Doi Ichitarô, was Doi die Beförderung zum 8-Dan einbrachte.
Am 11. Mai 1919 gewann er gegen Doi mit dem sakata-ryū mukai hisha 阪田流向かい飛車 Sakata Opposing Rook, einer Eröffnung die nach dem Spiel populär und nach Sakata benannt wurde. Das Spiel fand in Ôsaka statt und wurde von Kimi Kinjirô 木見金治郎 (1878-1951) präsentiert.
1920 wurde in Tokyo ein Turnier zu Ehren des 90 Jahre alten Ono Gohei 12. Meijin auf Lebenszeit abgehalten. Sakata spielte gegen Ôsaki Kumao (damals 7-Dan, 1884-1939) ein Lanzen-Handicapspiel. Das Spiel ist berühmt für Sakatas Bishop Head Pawn Angriff 「角頭歩突き」, aber Sakata verlor das Spiel.
Im Mai 1920 übernahm Sekine von Ono den Titel des 13. Meijin auf Lebenszeit. Es heißt, Sakata, der an einer Augenkrankheit litt und kurz davor war, zu erblinden, war zu dieser Zeit noch für Sekines Annahme des Titels.
1924 kam es zu einer Neuorganisation der Shôgiwelt. In Tokyo wurde der Tôkyô Shôgi Renmei 「東京将棋連盟」gegründet, bei der Kimi Kinjirô, Ôsaki Kumao, Kon Yasujirô und Hanada Chôtarô 花田長太郎 (1897-1948) starke Unterstützung lieferten, die dafür zum Dank zum 8-Dan befördert wurden. Bis dahin waren dies unter den Profispielern nur Sakata und Doi gewesen. Infolgedessen und wegen der Rivalität zwischen Kanto und Kansei, empfahlen im März 1925 80 führende Vertreter aus Ôsaka, Kôbe und Kyôto Sakata ebenfalls den Titel des Meijin anzunehmen. Unter Zustimmung von Yanagisawa 柳沢 nahm Sakata den Titel an. Von vielen wird er als Kansai oder Ôsaka Meijin bezeichnet, um ihn von dem eigentlichen Meijintitel abzugrenzen. Vom Tokyo Shôgi Renmei wurde dies als Anmaßung aufgefasst und Sakata wurde aus der Organisation ausgeschlossen.
Sakatas Beziehung zur Asahi Shinbun zerbrach und als er seine Arbeit an Kanda Tatsunosuke 神田辰之助 (1893-1943) verlor, unterstützten viele seiner früheren Anhänger Kanda und Sakata wurde zunehmen isoliert. Dennoch nahm er Hoshida Keizô 星田啓三 (1917-1995) als seinen Schüler an.
Die Spaltung der Shôgiwelt konnte am 29. Juni 1936 mit der Gründung des Shôgi Taiseikai 将棋大成会, dem direkten Vorläufer des heutigen Nihon Shôgi Renmei, endgültig überwunden werden. An der Gründung beteiligte sich sowohl die Gruppe um Kimi in Tokyo als auch die Gruppe um Kanda in Kansai. Kanda wurde der Vorsitzende des Kansaizweigs des Shôgi Taiseikai. Noch heute hat der Nihon Shôgi Renmei ein zweites Büro in Ôsaka. Sakata wurde dadurch völlig isoliert.
Sakata setzte sich bei der Yomiuri Shinbun und bei Kon Yasushirô für seine Rückkehr ein. 1937 schloss Sakata einen Vergleich mit der Tokyoter Seite und konnte in den Shôgi Taiseikai zurückkehren.
Im Februar 1937 kam es zur berühmten Partie im Nanzen-Tempel 南禅寺 gegen 8-Dan Kimura Yoshio 木村義雄 (1905-1986) und im März spielte er gegen Hanada Chôtarô im Tenryû-Tempel 天龍寺.
Nach sein Rückkehr nahm Sakata als 8-Dan an der Liga zur Auswahl des Herausforderers zum Meijin teil und konnte sieben Siege zu acht Niederlagen erringen. Daher schied er aus, ohne noch ein letztes Mal am Kampf um den Meijin Titel teilzunehmen. Nach seiner Pensionierung lebte er als Einsiedler in Ôsaka.
Es heißt, er sei von Kimura, der sich Sakatas Armut bewusst war, angesprochen worden, Berater zu werden. Sakata lehnte jedoch ab: „Was hat das jetzt noch für einen Sinn?“ 「いまさら木村が、なにいいまんね」, soll er auf das Angebot geantwortet haben. Laut Sakatas Familie war das Shôgispielen zu etwas wie dem Üben am Arbeitsplatz oder im Club geworden. Sakata wollte „echtes Shôgi spielen“ 「本当の将棋が指したい」, also spielte er alleine auf einem einfachen Shôgiklappbrett.
Kurz nach Kriegsende, am 23. Juli 1946 verstarb Sakata in seinem Haus. Es heißt, er sei an verdorbenem Walfleisch gestorben. Der Zeitungsartikel, der von Sakatas Tod berichtete, war bloß zehn Zeilen lang, ohne Bilder und vermeldete gar ein falsches Todesdatum. Sakata Sankichi, der das Shôgi über Meiji, Taishô und Shôwa-Zeit vor allem in Kansai stark geprägt hatte, drohte in Vergessenheit zu geraten. Allein dem Schriftsteller Hôjô Hideji sollte es zu verdanken sein, dass Sakata heute zu den bekanntesten Shôgispielern aller Zeiten gehört.
Denn Hôjô Hideji führte 1946 zum ersten Mal sein Stück „Ôsho“ über das Leben Sakatas auf. Aufgrund des Erfolgs des Theaterstücks und des darauf basierenden Films, wurde Sakatas zu einem richtigen Volkshelden in Kansai und der Nihon Shôgi Renmei 1955 verlieh ihm posthum den Titel des Meijin 追贈名人 und später den Titel des „Ôsho“. Sakata ist der einzige Shôgispieler, dem diese Ehre zuteil wurde. 1969 errichtete ihm die Nachbarschaftsvereinigung von Shinsekai unter dem Tsutenkaku ein Ehrendenkmal. Die Stadt Sakai errichtete ihm 1989 an der Stelle seines Geburtshauses ebenfalls ein Denkmal. Seit 1988 findet in seiner Heimatstadt Sakai ihm zu Ehren jedes Jahr ein Turnier statt.
Sein Grabmal liegt auf dem Hattori-Friedhof in Toyonaki. Sein Grabmal wurde 1954 durch eine Spende eines Fans, des Geschäftsmannes und Politikers Takahashi Ryûtarô 高橋龍太郎 (1875-1967) errichtet. Zu dessen Enthüllungszeremonie erschienen über 40 professionelle Shôgispieler, darunter Doi und Kimura. Das Grabmal ist in Form eines Shôgisteins gestaltet und ist ständiger Beschädigung ausgesetzt, da Menschen Stücke daraus herausschlagen, um diese als Talisman zu benutzen, damit ihr Shôgispiel besser wird.
Sakata Sankichi 坂田三吉 wurde heute vor 150 Jahren geboren.